12. August 2011

Die Geschichtswerkstatt Achim feiert ihr Jubiläum -
25 Jahre: „Grabe, wo du stehst!"


von

Karlheinz Gerhold

Vor 25 Jahren war der Verein am 1. Oktober 1986 von 22 an der Regionalgeschichte Interessierten als Verein für Regionalgeschichte Achim gegründet worden, bevor er sich dann kurze Zeit später in Geschichtswerkstatt umbenannte.

Vorausgegangen war eine Initiative der Stadt Achim, die durch mehrere ABM-Kräfte unterstützte Arbeitsgruppen zur Erforschung der Regionalgeschichte ins Leben gerufen hatte. Daraus sollte sich ein Heimat- und Geschichtsverein konstituieren, der sich die Erforschung der lokalen Geschichte auf die Fahne schreiben sollte. Doch es kam anders.

An der Frage, ob auch das Thema „Achim im III. Reich" und die Zeit des Nationalsozialismus erforscht werden sollten, schieden sich die Geister. In der Art eines Tribunals teilten einige der späteren Gründer des Heimatvereins Achim dem Vertreter der Arbeitsgruppe „Geschichtswerkstatt", Karlheinz Gerhold, im Haus Clüver mit, dass man den Faschismus ausklammern wolle, um nicht Nachfahren der Achimer Nazis zu düpieren.

Doch gerade diese Phase der deutschen Geschichte zu erforschen und ihre Auswirkungen vor Ort zu dokumentieren, war und ist nach wie vor eines der Hauptanliegen der bundesweiten Geschichtswerkstattbewegung, die seit den 80er Jahren neue Wege der Geschichtswissenschaft und ihrer Rezeption beschritten hatte.

Dieser Bewegung, die aus der Sicht der Betroffenen, der Bevölkerung, der kleinen Leute die Auswirkungen der „großen Politik" analysieren will, fühlt sich die Geschichtswerkstatt Achim bis heute verbunden. Ihr Motto „Grabe, wo du stehst!" ist bis heute Leitmotiv des Vereins. Wichtig ist dabei die Suche nach Spuren, die die sogenannte große Geschichte vor Ort, bei den Menschen, in den Betrieben, in der Arbeits- und Lebenswelt lokal und regional hinterlassen hat.

So kam es also am 3. September 1986 zum Zerwürfnis mit den Vertretern des im Aufbau befindlichen Heimatvereins. Die Arbeitsgruppe „Geschichtswerkstatt", die bis heute die Geschichte Achims im III. Reich als eines ihrer Schwerpunktthemen ansieht, wurde aufgefordert, die gemeinsame Planungsgruppe des noch zu gründenden Heimatvereins zu verlassen und eigene Wege zu gehen. Seither erforschen zwei Vereine mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielvorstellungen die Achimer Regionalgeschichte. Aus heutiger Sicht sicher ein großer Glücksfall, der die Pluralität unserer Gesellschaft begünstigt und eine gegenseitige Behinderung der Arbeit verhinderte. Im Gegenteil: Heute bestehen gute vereinsübergreifende Kontakte, vor allem durch die gute Zusammenarbeit der beiden ehrenamtlichen Stadtarchivpfleger Günter Schnakenberg vom Heimatverein und Karlheinz Gerhold von der Geschichtswerkstatt.

Die Vereinsgründung der Geschichtswerkstatt selbst erfolgte dann am 1. Oktober 1986 im Gasthaus am Badener Berg, das bis zum Einzug im 1. Obergeschoss des Hauses Clüver im Jahre 1990 als Vereinslokal des jungen Vereins diente. Als fünfköpfigen Vorstand wählte die Gründungsversammlung Karlheinz Gerhold (1. Vorsitzender), Ingeborg Oelkers (2. Vorsitzende), Hans-Georg von Horn (Kassenverwalter), Wolfgang Meyer (Redaktionssprecher) und Christian Just (Schriftführer). Seit ihrer Gründung hat die Geschichtswerkstatt das Achimer Kulturleben und die Regionalgeschichtsforschung durch unzählige Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen, Exkursionen, Ferienspaßangebote und Veröffentlichungen bereichert und dabei oft genug Pionierarbeiten durch erstmaliges Erforschen und Dokumentieren von Themen, wie z.B. die Geschichte der Achimer Arbeiterbewegung und Achim in der Zeit des Faschismus.

Und an gleicher Stelle, dem Restaurant „Weserterrassen am Badener Berg" findet jetzt am 1. Oktober 2011 die große Jubiläumsfeier statt, und zwar bewusst im Ortsteil Baden: Im Jahre 2013 wird der Ort Baden seine 1000-Jahr-Feier begehen. Nach allem, was wir heute wissen, trat Baden ins Licht der Geschichte mit der Übertragung des Hofes Botegun, wie Baden früher hieß, durch den Bremer Erzbischof Unwan an das Domkapitel. Und das geschah eben sehr wahrscheinlich vor ziemlich genau 1000 Jahren im Jahre 1013, als im Heiligen Römischen Reich König Heinrich II herrschte.

Als kleine Vorfreude auf das große Ereignis zeigt die Geschichtswerkstatt Achim e.V. im Restaurant Weserterrassen am Badener Berg in einer Dauerausstellung über 50 alte Ansichten vom Dorf und Ausflugsort Baden und dem schönen Wesertal: „Alt-Baden in historischen Bildern aus der Zeit des vorigen Jahrhunderts", viele der Fotos sind über 100 Jahre alt. Sie stammen aus dem Vereinsarchiv der Geschichtswerkstatt Achim e.V. und der Privatsammlung des 1. Vorsitzenden Karlheinz Gerhold. Die Initiative zur Ausstellung kam direkt vom Bremer Ehrenbürger Dr. Klaus Hübotter, dem Inhaber und Eigentümer des Restaurants. Den Festvortrag wird am 1. Oktober 2011 Bundesbauminister a.D. Karl Ravens mit seinen Erinnerungen über „Achim in den Fünfzigern und Sechzigern" halten. Bürgermeister Uwe Kellner und Landrat Peter Bohlmann haben ihre Teilnahme auch bereits zugesagt.

Mit einem umfangreichen Rahmenprogramm hatte das Jubiläumsveranstaltungsjahr bereits im Jahre 2010 begonnen: Am 1. August 2010 führte eine Exkursion unter Leitung von Helmut Maack die Achimer in die Residenzstadt Bückeburg, wo die geschichtsinteressierten Besucher aus Achim das Hubschraubermuseum und das Fürstenschloss der Herren von Schaumburg-Lippe besichtigten. Am 26. Oktober 2010 setzte Dr. Joachim Woock aus Verden seine Vortragsreihe zur Geschichte des III. Reichs im Landkreis Verden mit einer Informationsveranstaltung über „Die NSDAP-Kreisleitung im Landkreis Verden (1925 - 1945)" fort. Die traditionelle Jahresabschlussfeier fand am 21. Dezember 2010 wieder bei heißem Punsch im Kulturhaus Alter Schützenhof (KASCH) statt; Kreisarchivar Rolf Allerheiligen präsentierte den neuen Heimatkalender 2011; als Jahresgabe für die Mitglieder gab es die umfangreiche Pressedokumentation mit den Aktivitäten der Geschichtswerkstatt 2009/2010 sowie das Heft XVI der Achimer Geschichts-Hefte, in dem die Geschichtswerkstatt wieder einmal Pionierarbeit leistete: Mit dem lesenswerten Aufsatz „Menschen aus der Türkei kommen nach Achim" legten Edith Bielefeld und Mehmet Ates erstmals eine Dokumentation dieses bisher vernachlässigten Themas der jüngeren Achimer Regionalgeschichte vor. Menschen mit Migrationshintergrund - wie man heute meint sagen zu müssen - sind Teil der Gesellschaft und damit Teil der Geschichte vor Ort.

Die Vorstandsneuwahlen im Vereinssitz Haus Clüver hatten dieses Ergebnis: Die Versammlung bestätigte den 1. Vorsitzenden und Initiator der Vereinsgründung vor 25 Jahren Karlheinz Gerhold im Amt und wählte in den Vorstand Elke Gerbers (2. Vorsitzende), Edith Bielefeld (Schriftführerin), Hartmut Nill (IT-Verantwortlicher), Helmut Maack (Kassenverwalter) und Gisela Galle, Helmut Köhler und Karl Heinz Hildebrandt als Beisitzer; Kassenprüfer sind Werner Esdohr und Monka Köhler. Einen besonderen Wunsch formulierte die Mitgliederversammlung: Die Mitgliederzahl von derzeit exakt 94 Personen - nach fünf Neueintritten des letzten Jahres - soll durch gezielte Werbemaßnahmen auf mindestens 100 gesteigert werden; ein neuer Flyer, der die vielfältigen Angebote des Vereins darstellt, und ein Aufkleber sollen dabei helfen.

Am 28. März 2011 folgte ein Vortrag von Dr. Joachim Woock über „Das letzte Tabu: Deserteure und ‚Kriegsverräter' - drei Schicksale aus dem Landkreis Verden." Am 10. April 2011 beteiligte sich die Geschichtswerkstatt mit einem eigenen Stand an der Vereinsbörse der Stadt Achim im Rathaus, bei der sich über 50 Achimer Vereine der Öffentlichkeit präsentierten.

Ein interessante Exkursion unter Leitung von Vereinschef Karlheinz Gerhold führte eine Gruppe der Geschichtswerkstatt am 15. Mai 2011 nach Borgfeld zur dortigen „Kaisen-Scheune": Der frühere Leiter des Bremer Staatsarchivs Dr. Hartmut Müller informierte die Achimer über das Leben und Wirken des früheren Bremer Bürgermeisters und Senatspräsidenten Wilhelm Kaisen, der in Borgfeld eine Siedlerstelle betrieb. Wilhelm Kaisen war von 1945 bis 1965 erster Nachkriegsbürgermeister und war von der amerikanischen Militärverwaltung als Sozialdemokrat und bekannter Antifaschist nach dem Ende der Nazi-Diktatur als Bürgermeister eingesetzt worden.

Am 29. Mai 2011 führte Elke Gerbers, 2. Vorsitzende der Geschichtswerkstatt und Gästeführerin, über 30 Interessierte zu den Denkmälern und Kunstwerken in Achims Innenstadt. So stellte sie während dieser „Denkmal-Tour" unter anderem die Skulpturen „Komm" vor der Stadtbibliothek, „Der ersten Streit" im Rathaus, den „Vorleser", das Zigarrenmacher-Denkmal, aber auch die historischen Mahnmale im Park des Alten Rathauses vor, darunter das Langensalza-Denkmal, das im 19. Jahrhundert königstreue Achimer Welfen-Anhänger zur Erinnerung an die Schlacht des Jahres 1866 zwischen Preußen und (u.a.) den Hannoveranern bei Langensalza errichten ließen. Das war damals nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahre 1866 sicher ein merklicher Affront der Achimer Honoratioren gegenüber der neuen preußischen Obrigkeit.

Der Verdener Stadtarchivar und Leiter des Historischen Museums „Domherrenhaus" Dr. Björn Emigholz referierte auf Einladung der Geschichtswerkstatt Achim im Restaurant Weserterrassen am Badener Berg am 30. Mai 2011 über den fränkischen König und Römischen Kaiser Karl den Großen und seine Aufenthalte in Verden, insbesondere im Jahre 810. Während der traditionellen „Badener Pfingstwiese" zeigte die Geschichtswerkstatt wieder alte Ansichten zur Badener Geschichte im Festzelt an der Weser. Am 2. Pfingsttag, dem 13. Juni 2011 feierte der Achimer Mühlenverein am Mühlentag „250 Jahre Achimer Windmühle"; die Geschichtswerkstatt steuerte Repros alter Ansichten vom Wahrzeichen Achims aus ihrem Vereinsarchiv bei.

Regelmäßige regionalhistorische Sprechstunden im Haus Clüver runden das vielseitige Veranstaltungsprogramm des Jubiläumsjahres ab, von dem Vieles auch auf der Interpräsenz der Geschichtswerkstatt Achim unter www.geschichtswerkstatt-achim.de nachgelesen werden kann.

C.C. Kruse und Karlheinz Gerhold stellen Achimer Schüler- und Szene-Zeitungen vor

C.C. Kruse und Karlheinz Gerhold stellen Achimer Schüler- und Szene-Zeitungen vor.

Und es geht noch weiter:

Im 2. Halbjahr 2011 plant die Geschichtswerkstatt neben ihrer Festveranstaltung am 1. Oktober noch weitere Highlights als Rahmenprogramm:
Am 22. August 2011 referiert Marcus Pfeifer aus Neuenhaus um 19.30 Uhr im Restaurant Weserterrassen am Badener Berg über „Norddeutschland in der Franzosenzeit". Ab Donnerstag, den 8. September 2011 zeigt die Geschichtswerkstatt Achim in Kooperation mit der Stadtbibliothek Achim in deren Räumlichkeiten und während ihrer Öffnungszeiten bis zum 1. Oktober 2011 eine kleine Ausstellung mit den Publikationen zur Achimer Regionalgeschichte in den letzten 25 Jahren; die Ausstellungseröffnung ist am Donnerstag, den 8. September um 10.00 Uhr.

Dem folgt am Montag, den 10. September 2011 um 19.00 Uhr im Restaurant Weserterrassen am Badener Berg ein weiterer Vortrag des Baden-Forschers Heinz Kuhlmann über „Baden und die Weser". Und noch eine Ausstellung wird es geben: Am Samstag, den 24. September 2011 von 14.00 bis 18.00 Uhr und am Sonntag, den 25. September 2011 von 11.00 bis 15.00 Uhr präsentiert und „performanct" C.C. Kruse aus Baden im Haus Clüver besondere Exemplare aus dem Fundus der Achimer Schüler- und Szene-Zeitungen, die sich im Vereinsarchiv der Geschichtswerkstatt Achim befinden. Die archivierte Sammlung ist jüngst von dem in Achim-Baden lebenden Beatpoeten und Gründer der Factory27 C.C. Kruse um einen Fundus deutscher Underground- und Literaturmagazine erweitert worden; der gesamte Bestand ist unter www.geschichtswerkstatt-achim.de einsehbar und steht damit der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung. Wer aber die bunte Blätterwelt selber in Augenschein nehmen möchte, komme zur Ausstellung. Während der Ausstellung werden C.C. Kruse und der Langwedeler Liedermacher Jhonny Gekko die eine oder andere Spontanlesung und auch einige Lieder beisteuern.

Das Rahmenprogramm zur 25-Jahr-Feier schließt schließlich mit der Jahresabschlussfeier am Freitag, den 9. Dezember 2011 ab 19.00 Uhr im KASCH bei heißem Punsch. Zu allen Veranstaltungen sind Gäste herzlich willkommen.

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