Aus dem Achimer Kreisblatt vom 11. Oktober 2008:

"Alle Reste in Mulde geworfen"
Hintergründe zum jüngsten Granatenfund in Achim-Ost / Zwei Lokalhistoriker äußern sich

ACHIM. Der jüngste Fund von über 2000 Granaten, dazugehöriger Munitionskisten und einer Panzerfaust bei den Ausbauarbeiten zum Gewerbegebiet Achim-Ost - siehe Bericht im Kreisblatt vom 8. Oktober - regte Heimatgeschichtler zum Nachforschen an.
Klaus Bischoff vom Achimer Heimatverein und Karl-Heinz Hildebrandt von der Geschichtswerkstatt Achim stellten ihre Erkenntnisse für das Kreisblatt zusammen.
Bischoff schildert überwiegend persönliche Erinnerungen "an das Flakgeschütz (Flak = Flugabwehrkanone) und einen Panzer im Scheefmoorgebiet":
"Nach dem Kriege spielten wir mit den zurückgelassenen Geschützen und abgeschossenen Panzern. Ich war damals sieben Jahre alt... Wir fuhren mit dem Flakgeschütz Karussell. Einer hielt sich am Geschützrohr fest, die anderen betätigten den Geschützturm, und schon drehte sich die Flak im Kreise...
Einige Kinder sammelten die Munition, die überall herumlag. Entweder wurde das gefährliche Sammelgut in ein Feuer geworfen oder man versuchte, das Pulver aus den Geschossen zu entfernen, um es dann anzuzünden - eine äußerst gefährliche Angelegenheit..."
Zum Kriegsgeschehen im April 1945 und den Flakstellungen im Scheefmoor verweist Bischoff auf einen Kreisblatt-Artikel von 1970, also 25 Jahre nach Kriegsende. Uberschrift: "Verzweifelter Endkampf einer Flakbatterie":
"Die Abwehrvorbereitungen im Raum Achim bestehen hauptsächlich in einem raffinierten Artilleriesperrgürtel quer durch den Altkreis Achim, der den Vormarsch (der englischen Truppen) auf Bremen hemmen sollte. Die ganze Anhöhe zwischen Achim und Borstel sowie das davor liegende flache Feld bis nach Ueserdicken hinüber ist mit Geschützen aller Kaliber bestückt worden. Englische Panzer, die das Gelände von Uesen aus seitlich aufweiten wollen, geraten in stärksten Direktbeschuss. Noch vor der Bahn, in der Nähe des Hartsteinwerkes, bleibt der erste Stahlkoloss im Feuer liegen...
Die Flakbatterie am Ueser Schafkoven (Scheefmoor) leistet Widerstand bis zum letzten Mann... Wochen später finden spielende Kinder einen Stahlhelm, in dem der Kopf eines toten Flaksoldaten ruht. Die Polizei findet in einem Panzerloch den restlichen Körper. Es wurden keine Papiere bei ihm gefunden. So wurde er als unbekannter Soldat auf dem Achimer Friedhof begraben.
Die Munition in den Stellungen wird später noch einmal zum Verhängnis. Mehrere Wochen nach Kriegsende sind drei Kinder aus Borstel auf dem Wege nach Ueserfinien durch diese Munition zu Tode gekommen. Auf dem Wege spielten sie trotz Warnung einer vorbeifahrenden Radfahrerin mit in der Flakstellung liegen gebliebener Munition, die dabei explodierte".

Die Granatmunition

Auf der Großbaustelle zur Erweiterung des Gewerbegebiets Achim-Ost wurde beim Baggern am Dienstag solche Granatmunition samt einer Panzerfaust freigelegt. Foto: Laue

Karl-Heinz Hildebrandt geht davon aus, dass die jetzige Fundstelle nur im Grenzraum der Hauptverteidigungslinie lag und hier lediglich leichte Kanonen aufgestellt waren. Darauf deute das Kaliber von nur zwei Zentimetern der Fundmunition hin.
Der hohe Munitionsverbrauch - 2000 leere Hülsen - sei mit Flankensicherung bei einem langen Feuergefecht zu erklären. Dieses entwickelte sich, als britische Panzer aus dem Badener Holz nach Westen rollten und ihnen aus Borstel schwerstes Abwehrfeuer aus größerem Kaliber entgegenschlug.
Hildebrandt weiter: "Vermuten kann ich nur, dass nach Kriegsende die gesprengten Geschütze als Schrott weggeräumt wurden und das, was übrig blieb, einfach in eine Mulde geworfen wurde, die man dann zuschob. Im Laufe der Zeit verblasste wohl die Erinnerung daran, was unter der Erde schlummerte".
Der Langwedeler Geschichtsforscher bezieht sich bei seinen Aussagen vor allem auf die Bücher "Die bremische Flugabwehr im Zweiten Weltkrieg" des Historikers Reinhold Thiel und "Krieg in der Heimat - Das bittere Ende zwischen Weser und EIbe" von Ulrich Saft.

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