Aus dem Achimer Kreisblatt vom 6. November 2008:

Kreuz und Hakenkreuz in St. Laurentius
Eine Arbeitsgruppe hat die Rolle der Kirche während des Nationalsozialismus erforscht
Von Manfred Brodt

ACHIM . Fast alle Abschnitte ihres 750-jährigen Kirchenlebens hatte die Kirchengemeinde Achim vergangenes Jahr zum Jubiläum der St. Laurentius-Kirche dokumentiert. Nur die zwölf Jahre des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 waren unerforscht geblieben, weil angeblich die Archive nach dem Ende des braunen Spuks "gesäubert" worden seien und keine Unterlagen mehr existierten.
Das hat sich nun geändert. Auch auf Anregung der Jubiläumsredner Landesbischof a.D. Hirschler und Henning Scherf hat seit Anfang dieses Jahres die Arbeitsgruppe "Kreuz und Hakenkreuz - St. Laurentius im Nationalsozialismus" die Rolle der Kirche in dieser Zeit aufgearbeitet. Pastorin Marina Kortjohann, Pastor Christoph Maaß, Maren Prüß von der Geschichtswerkstatt, Rolf Helmbrecht vom Kirchenvorstand, Rainer Krause vom Gemeindebrief, Johann Jäger vom Heimatverein und Kirchensekretärin Angela Krtschal haben viel Literatur zu Rate gezogen, in kirchlichen Archiven der Gemeinde, des Kreises und des Landes gestöbert, Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen, Veröffentlichungen im Achimer Kreisblatt, Berichte über Visitationen und Befragungen nach 1945 ausgewertet, noch lebende Zeitzeugen interviewt und das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte so etwas aufgehellt. Nachzulesen ist es in einer Sonderausgabe des Gemeindeorgans "Blickpunkt".
Während die Nazis die Kirche auf Kurs bringen wollten und der Wehrkreispfarrer Müller zum Reichsbischof oder vom "kleinen Kirchenlicht zum großen Armleuchter" wurde, wie Spötter sagten, achtete die Landeskirche Hannover auf ihre Unabhängigkeit von der Reichskirche. Der "Blickpunkt" beschreibt differenziert die Konflikte zwischen den nationalsozialistisch orientierten Deutschen Christen mit ihrem germanischen Gottesbild und den gemäßigten Kräften, die sich durchsetzten. Die Kirche im Lande und in Achim wurde keine Abteilung der NSDAP, war aber auch alles andere als eine Zelle des Widerstandes.

Christoph Maaß und Rolf Helmbrecht

Auch Pastor Maaß und Kirchenvorsteher Rolf Helmbrecht haben ein Stück dunkler Vergangenheit aufgehellt. Foto: Brodt

Nach der NS-Machtergreifung waren die Kirchenvorstände auf Betreiben des neuen Unrechtsregimes ausgewechselt worden. Neue Kirchenvorsteher mussten nicht Parteimitglied sein, sollten aber schon die Zustimmung des NSDAP-Ortsgruppenleiters haben. Aus den Visitationsberichten ist zu erfahren, dass die eigentlich bäuerliche Bevölkerung im Raum Achim dem verderblichen Einfluss der Großstadt Bremen ausgesetzt sei, buntscheckig und weniger kirchentreu geworden sei. "Die kirchliche Arbeit in der Gemeinde ist Frontdienst und wird es immer mehr werden", hatte der Superintendent militärisch formuliert, und der Achimer Pastor Bremer stand nicht nach: "Die Arbeit in Achim ist Vorpostenarbeit."
Die Achimer Kirche feierte den Jahrestag der NS-Machtergreifung, hielt Dankgottesdienste für den Sieg bei der Reichstagswahl und die Errichtung des Großdeutschen Reiches.

Blickpunkt

Die Kirchenfahne und die Hakenkreuzflagge flattern am Achimer Kirchturm. Eine Fotomontage, die allerdings viel Wahrheit enthält.

Partei und SA konnten über Jahre Gottesdienste zu Parteidemonstrationen missbrauchen, zum Beispiel 1933, als die Parteigenossen angeführt von drei Kämpfern des Stahlhelm mit der alten Parteifahne unter Orgelklang in die voll besetzte Laurentius-Kirche einrückten, die neuen Parteimitglieder am Altar ihr Parteibuch erhielten und die am Altar Versammelten die Arme zum Eid erhoben.
Die örtlichen Geistlichen predigten für den Führerstaat und den Endsieg. Ein Anführer der Deutschen Christen hatte in Achim erzählt: "Der Herrgott selbst legte dem Führer die Hand auf die Schulter und sagte: Heute geb ich Dir das Schicksal des deutschen Volkes in die Hände, dass wir alle zusammenstehen, alte Gegensätze begraben und die Herzen in Treue und Glauben zum Führer erheben."
Über die entrechteten und verfolgten Juden in der Gemeinde, die Zwangsarbeiterinnen in Uesen und Uphusen wurde in der Achimer Kirche kein Wort verloren.

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