Aus dem Achimer Kreisblatt vom 03. August 2004:

"Heilige Begeisterung"
Am 1. August 1914 Mobilmachung in Verden / Hysterie
Von Jürgen Siemers

VERDEN. Am 1. August 1914, es sind nun 90 Jahre her, wurde in Verden mit den einzigen vorhandenen Medien - Aushang am Rathaus und Zeitung - die Mobilmachung bekannt gemacht. Es hieß einfach: "Mobilmachung befohlen. Erster Mobilmachungstag Sonntag 2. August 1914. Der Magistrat." Die Zeitung brachte diese Nachricht als Extrablatt. Hierbei handelte es sich um die Weitergabe der telegrafisch eingegangenen Weisung der Regierung. Es bedeutete, dass alle Reservisten und wehrfähigen Männer sich sofort bei den verschiedenen Truppenteilen einfinden mussten.
Bereits am Vortag, so ist dem "Verdener Anzeigen-Blatt" zu entnehmen, war für Deutschland der Kriegszustand erklärt worden, diese Nachricht war unter Trompetensignal vor dem Rathaus bekannt gegeben worden.
Auf die Ursachen des "Weltkrieges", diese Bezeichnung ist bereits in den ersten Kriegstagen gebraucht worden, soll hier nicht eingegangen werden. Mit Zeitungsmeldungen aus der Rubrik "Locales" aus den ersten drei Kriegstagen blicken wir zurück.
Sogleich am 1. August wandte sich der Magistrat an die Bürger und Einwohner Verdens. Hier heißt es unter anderem: "...fordern wir alle diejenigen, die sich vaterländischen Verpflichtungen unterziehen müssen, sich des vollen Ernstes der Lage bewußt zu sein und alles etwa Geforderte bei Zurücksetzung persönlicher Interessen so auszuführen, dass es dem Vaterlande förderlich und dienlich ist. Vor allen Dingen empfehlen wir der Einwohnerschaft Ruhe und Besonnenheit ...bitten wir ferner, sich unserer braven Truppen zu erinnern und denjenigen, die für König und Vaterland ihr Leben in die Schanze schlagen müssen, Liebesgaben zuzuwenden, die auch im Rathaus angenommen werden".

Mobilmachung in Verden

Mobilmachung in Verden, unterzeichnet von Bürgermeister Schorcht.

Die Zeitung schrieb dazu: "Heilige Begeisterung, wie sie vor dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges nicht höher geschlagen haben kann, macht sich in allen Kreisen der Bevölkerung geltend. Seitdem der Kriegszustand erklärt ist, ist die Erregung noch gewachsen. Schon am Nachmittag wurde die Holzmarktkaserne von Schaulustigen dicht umlagert. Viele Eltern nahmen die Gelegenheit wahr, sich von ihren Söhnen zu verabschieden..." Uber Kriegsfreiwillige wurde ausführlich berichtet, so hatten sich vom hiesigen Lehrerbildungsseminar (heute Behördenhaus) 142 junge Leute zum Kriegsdienst gemeldet. Es war ziemlich die gesamte Schülerschaft. Helferinnen wurden gesucht, um die durchfahrenden Truppen am Bahnhof zu verpflegen. Auf dem Gelände der heutigen Kreisverwaltung wurde aus 20 Baracken ein Lazarett eingerichtet und die Verdener Sanitätskolonne trug dann die Verwundeten.
Eine gewisse Hysterie spricht aus diesen Meldungen: "Hier ist man heute auf der Suche nach einem russischen Spion, der in einem Auto hier durchkommen soll. Einige der sich hier aufhaltenden Russen sollen in Schutzhaft genommen worden sein". - "Die Jagd auf angeblich feindliche Geldautomobile ist einzustellen, sie gefährdet die Durchführung des notwendigen Kraftwagenverkehrs für unsere Heeresleitung" - "Wie uns mitgeteilt wird, ist gestern Abend ein Doppeldecker südlich von Verden beobachtet worden. Da deutsche Flieger die Luft jetzt nicht kreuzen, so kann nur ein feindlicher Flieger in Frage kommen". Hierzu wäre anzumerken, dass ein Flugzeug 1914 kaum eine solche Reichweite von Frankreich her besaß.
Eine Bewirtschaftung der Lebensmittel wie 1939 wurde erst später eingeführt, es traten die ersten Hamsterkäufe auf. Für den 5. August war das Volk vom Kaiser zur Teilnahme an einer gemeinsamen Andacht aufgefordert worden. Dieser Aufruf schloss: "...mit uns sei und unsere Waffen segne. Nach dem Gottesdienst möge dann, wie die dringende Not der Zeit es erfordert, ein jeder zu seiner Arbeit zurückkehren. Wilhelm R".
Noch war die Stimmung auch in Verden gut und auf Sieg in kürzester Zeit ausgerichtet. Aber es ist sehr viel anders gekommen...

nach oben

zurück