Aus dem Achimer Kreisblatt vom 30. Oktober 2010:

"Gesichter des Unrechts"
Dr. Joachim Woock referierte über die NSDAP-Kreisleitung

ACHIM (häg) . Die Kreisleiter der NSDAP kamen aus der Mitte der Gesellschaft - und waren mit Machtbefugnissen ausgestattet, die es ihnen erlaubten, über das Leben anderer Menschen den Daumen zu heben oder zu senken. Das ist eine Erkenntnis eines Vortrages über die NSDAP-Kreisleitung im Landkreis Verden von 1925 bis 1945. Über das Thema referierte Dr. Joachim Woock auf einer Veranstaltung der Achimer Geschichtswerkstatt im Kulturhaus "Alter Schützenhof". Dr. Woock ist Geschichtslehrer am Berufsschulzentrum Verden-Dauelsen und Vorsitzender des Vereins für Regionalgeschichte in Verden.
Woock bezeichnete die Quellenlage über das Wirken vieler Nazi-Kreisleiter als "sauschlecht". In den letzten Tagen vor dem Kriegsende seien viele Unterlagen vernichtet worden. Erhalten geblieben allerdings seien viele NSDAP-Mitgliedskarteikarten, die dem Einstampfen entgingen, oder die Akten der Spruchgerichte.

Dr. Joachim Woock

Dr. Joachim Woock. Foto: Hägermann

Die Kreisleiter der Nazis rangierten unterhalb der Gauleiter und gehörten somit zur "mittleren Führungsebene". Sie konnten sich eines "Wahnsinnsapparates" bedienen, der bis auf die letzte Funktionseinheit durchgeplant war. Als Kreisleiter fungierten gemeinhin weder "gescheiterte Existenzen" noch "durchgeknallte Spinner", sondern "alte Kämpfer", die sich häufig bei der Hatz auf Sozis und Kommunisten bewährt hatten: "Das brachte Jobs." Und zwar gut dotierte.
Seit 1938 war der Posten eines Kreisleiters ein hauptamtlicher, dessen Entlohnung in die Nähe eines Regierungsdirektors rückte. Kreisleiter schrieben Begutachtungen, sprachen Verbote aus, verfassten Tätigkeitsberichte und spürten Stimmungen in der Bevölkerung nach. NSDAP-Kreisleiter waren die Gesichter der Unrechtspartei vor Ort und brachten Projekte, bei denen die Verwaltungsgremien zauderten, schon mal erheblich schneller auf den Weg. Das machte bei nicht wenigen Eindruck.
Dr. Joachim Woock skizzierte auch einige Biografien von NSDAP-Kreisleitern oder vom stellvertretenden Gauleiter Heinrich Peper aus Quelkhorn ("ein dicker Fisch"). Der Kreisleiter Ernst Brändel galt als Choleriker, der bei unpassenden Gelegenheiten großspurige Reden zu halten pflegte. Die Folge: Die Strafversetzung vom wichtigen Kreis Cuxhaven in den nicht ganz so bedeutsamen Landkreis Verden.
Im Zuge der Entnazifizierung wurden die meisten NSDAP-Kreisleiter auf einer Bewertungsskala mit Klasse 4 eingestuft. Klasse 5 war Widerstandkämpfern vorbehalten.
Rachegelüste nach dem Krieg hatten die Führungsnazis nicht zu fürchten: "Die Bevölkerung wollte nur nach vorne schauen und vergessen", sagte Dr. Joachim Woock. Weitgehend unbehelligt konnten die Karriere-Nazis sich ihrer Seilschaften bedienen und sich gegenseitig in wichtige Ämter und Positionen hieven.
Dr. Joachim Woock plant jetzt ein "Denkortekonzept". Danach sollen in Verden zehn schmale Stelen mit Informationen aufgestellt werden, die Auskunft geben über Orte, wo während des Dritten Reiches beispielsweise die Geheime Staatspolizei oder die NSDAP-Kreisleitung waren.

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