Aus dem Achimer Kreisblatt vom 28. März 2014

Kriegsgefangene schaffen Ort im Moor
Badenermoor feiert ab Sonntag seinen 100. Geburtstag / Selbständigkeit nach langem Hin und Her abgelehnt

BADENERMOOR. 100 Jahre sind im Leben eines Menschen eher eine Seltenheit. Bei einer Gemeinde sind sie eigentlich nichts Besonderes, bei Badenermoor aber schon. Ab Sonntag feiert der Ort links und rechts der Roedenbeckstraße seinen 100. Geburtstag.
Ganz besonders ist dieses Badenermoor, weil es durch die Kultivierung und Kolonisierung des Moores entstanden ist, bei der Kriegsgefangene eine entscheidende Rolle spielten. Lokalhistoriker und Ortschronist Hartmut Hagemann hat dies ausführlich dargestellt und auch die Grundlagen dieses Artikels geliefert.
Bis 1794 hatten unsere Vorfahren bereits das Tüchtener und Hellweger Moor besiedelt, die Orte Wümmingen, Rotlake, Posthausen, Mitteldorf, Stellenfelde, Hintzendorf, Allerdorf und Grasdorf entstehen lassen.
Blieb nur noch die schlecht aufgeteilte moorige Fläche bei Baden, Uesen und Etelsen, die ab 1907 von einer Ansiedlungsgesellschaft mit Kreisanteil von 1000 Reichsmark und der Anstellung eines Kreiswiesenbau- und Kreisbaumeisters in Angriff genommen wurde.
Am 27. März 1914, also gestern vor 100 Jahren, hatte der damalige Landrat Roedenbeck in einer 15-seitigen Broschüre die Ziele und Voraussetzungen zur Kultivierung und Besiedelung des Badener, Uesener und Etelser Moores vorgestellt, sie beantragt und mit der Zustimmung des Kreistags am 21. April 1914 Erfolg damit.
Es konnte losgehen, hätte nicht am 1. August 1914 die Katastrophe des Ersten Weltkrieges begonnen. Landrat Roedenbeck fand einen Ausweg. Er erreichte, dass Kriegsgefangene aus dem Kriegsgebiet für die Kultivierung des Moores nach Badenermoor verlegt wurden. Auf Antrag des Kreises wurden 500 überwiegend französische und belgische Kriegsgefangene vom Kriegsgefangenenlager in Soltau als billige Arbeitskräfte nach Badenermoor verbracht.

Gefangenenlager Baden-Etelsermoor

Das Gefangenenlager Baden-Etelsermoor. Repro: Hagemann

Barackenlager für die Gefangenen und Gebäude für die Wachmannschaften wurden von der Heeresverwaltung errichtet. Sie bezahlte auch das Essen, der Kreis die Geräte, Aufseher und Spezialisten.
Nach kurzer Zeit der nächste Schlag für das Projekt: Der Pionier Landrat Roedenbeck war am 10. November 1914 an der belgischen Grenze gefallen.
Das Projekt der Moorkultivierung sollte das dennoch nicht aufhalten. Mit entscheidender Hilfe der Gefangenen wurden 80 Morgen Land urbar gemacht. Schon 1915 konnten 20 Morgen mit Kartoffeln bestellt werden, wie Hartmut Hagemann berichtet.
War zunächst die Motivation für solche Nutzungen des Moors, gerade in Ballungsgebieten die Ernährung der Bevölkerung zu verbessern, dienten die Ernteerträge im Zuge der Kriegswirren der Versorgung der ganzen Nation und folgte nach dem für Deutschland verlorenen Krieg das Ziel, heimkehrenden und verwundeten Soldaten ein neues Zuhause zu ermöglichen.
So geschah es. Nach harten Arbeitstagen gingen die neuen Siedler noch daran, sich ihr Häuschen zu bauen. Bis 1922 hatten sie hier 46 Siedlungshäuser errichtet.
Die hier angesiedelten Familien wünschten schon bald eine Schule, damit ihre Kinder, die auch noch zu Hause kräftig helfen mussten, nicht weite Schulwege nach Giersdorf und Tüchten in Kauf nehmen mussten. Der Badener Gemeindeausschuss lehnte dieses Ansinnen am 18. Oktober 1919 rundweg ab, da ausgemacht gewesen sei, dass der Gemeinde Baden durch die Ansiedlung keinerlei Kosten entstehen dürften.
Die Regierung in Stade hielt jedoch die Einrichtung zumindest einer Notschule für geboten und wies, nachdem die Badenermoorer selbst ein Klassenzimmer hergerichtet hatten und die Hannoversche Siedlungsgesellschaft für das Gebäude aufkam, die Gemeinde Baden an, einen Lehrer einzustellen. Carl Behrens wurde am 1. Juli 1920 als erster Lehrer in Badenermoor angestellt.

Einweihung des Roedenbeck-Denkmals

Einweihung des Roedenbeck-Denkmals am 22. September 1916. Repro: Hagemann

Bei der Notschule in Badenermoor handelte es sich um eine Baracke von 20 mal neun Metern mit einem Klassenraum von 33 Quadratmetern, gusseisernem Ofen, Abort in einer Scheune, Gruben für das kleine Geschäft, ohne Waschgelegenheit und Lehrerwohnung. 41 Jungen und Mädchen besuchten sie zunächst. Auch der Kreisschularzt hielt die Bedingungen für unzumutbar, und Badenermoor sollte eine neue Schule bekommen, die am 19. Dezember 1922 eingeweiht wurde.
Zehn Jahre später erhält die Siedlung auch ihren eigenen Friedhof.
Die 23 Familien mit 115 Personen 1920 im Badener Moor fühlten sich jedoch als nur geduldetes und nicht respektiertes Anhängsel von Baden und forderten per Antrag vom 24. Februar 1920 Souveränität, wollten selbständige Gemeinde werden. Der Landrat und der Kreisausschuss befürworteten die neue Gemeinde, die Roedenbeck heißen sollte, doch Baden, Uesen und Etelsen zeigten die kalte Schulter. Auch der Regierungspräsident hatte Bedenken. Und als man in einer Versammlung den Moorsiedlern vorrechnete, dass sie dann für die Schule, das Spritzenhaus und anderes aufzukommen hätten, sprachen sich nur noch 15 Siedler für und 17 Siedler gegen die eigenständige Gemeinde aus.
Am 27. November 1923 lehnte der Kreisausschuss die neue Gemeinde ab. Es folgte ein langes Hin und Her: 1925 befürwortet der Kreis eine Gemeinde Roedenbeck, Baden geht auf Tauchstation, 1932 hat der Regierungspräsident keine Einwände mehr gegen die Zwerggemeinde, doch am 22. März 1933 stellt der Landrat fest: "Ein besonderes Gemeindeleben hat sich in der zur Gemeinde Baden gehörigen Siedlung Badenermoor nicht entwickelt, trotzdem die Siedlung eine Schule und einen eigenen Begräbnisplatz sowie eine alte Spritze besitzt. Zu einer selbständigen Gemeinde wäre das finanzielle Fundament der Siedlung zu schwach."
Nach 13 Jahren waren damit die Badenermoorer endgültig abgeblitzt. Der Landkreis Achim war 1932 aufgelöst worden, 1933 hatte das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte begonnen. Badenermoor gehört zu Baden, und gemeinsam sind sie seit 1972 Teil der neuen Stadt Achim. Zwischen der Siedlung im Moor und den Badenern besteht im übrigen seit Jahren das beste Verhältnis.
Gemeinsam werden sie ab Sonntag den 100. Geburtstag dieses geschichtsträchtigen Ortes feiern.

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