Aus dem Achimer Kreisblatt vom 22. Oktober 2003:

Letzte Ruhestätte am Tageslicht
Ein Blick in die Vergangenheit: Archäologen legen Gräber auf dem Liebfrauenkirchhof frei
Von Ralf Sussek

BREMEN. Nur wenige Tage hatten die Mitarbeiter des Landesarchäologen Zeit. Bei Bauarbeiten hatten sie einen kleinen Teil eines dort vermuteten Gräberfeldes freigelegt. Gestern Nachmittag wurde die zwei mal drei Meter große Grube an der Nordwest-Seite der Kirche Unser lieben Frauen wieder verschlossen.
Die Funde überraschten die Fachleute nicht. Schließlich hatte der Liebfrauenkirchhof in früheren Jahrhunderten sowohl als Marktplatz als auch als Friedhof gedient. Fast 1000 Jahre lang wurde
hier bestattet. Erst mit der Pflasterung im Jahre 1813 war das verboten, sagt Dr. Dieter Bischop, wissenschaftlicher Referent des Landesarchäologen.
Gefunden und vermessen wurden diverse Skelette. Und Knochen, die laut Bischop von Kindern stammen. Ungetaufte Kinder waren hier, direkt unter der Traufe, bestattet worden, weiß Bischop. Durch das Regenwasser sollten sie, so der damalige Glaube, quasi nachträglich getauft werden.
Die Kinderknochen wurden nun entnommen und werden in den nächsten Tagen untersucht - ebenso wie Rotsandsteine und Keramikscherben, die etwa einen bis eineinhalb Meter unter dem
heutigen Pflasterniveau des Liebfrauenkirchhofs gefunden wurden. Die weiter unten liegenden Bodenschichten und ihre menschlichen Überreste blieben unberührt.

Gräber auf dem Liebfrauenkirchhof

Meike Mittmann und Dr. Dieter Bishop vermaßen und sicherten gestern die Funde - bevor die Grube gestern Nachmittag wieder geschlossen wurde.
Photo: Sussek

Die Keramikscherben lassen schon jetzt eine ungefähre Schätzung zu: Die freigelegten Bestatteten stammen aus der Zeit vom 12. bis 16. Jahrhundert nach Christus.
So auch die Skelette, die im Dienste der Wissenschaft gestern vermessen wurden. Mit verschränkten Armen oder gefalteten Händen liegen sie da; der unbeschädigte Schädel des einen, noch halb im Erdreich, blickt gen Osten - dorthin, wo der Auferstandene erscheinen wird.
Gleich neben den Skeletten sind die Überreste einer Gruft aus Rotsandstein zu sehen. "Hier wurden auch Reichere bestattet", schließt Bischop aus dem Fund.
In der vergangenen Woche hatten die Archäologen unter der Treppe zur Diskothek "New Yorker", zuletzt "Delight", im ehemaligen Bunker die Funde gemacht. Die Treppe ist nun verschwunden, die Fläche wieder geschlossen. Für Interessierte: Zum Thema Mittelalter läuft vom 19. November bis 28. März 2004 im Bremer Focke-Museum die Ausstellung "Gefundene Vergangenheit".

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