Aus dem Achimer Kreisblatt vom 16. März 2018:

Spannende Zeitreise ins vierte Jahrhundert nach Christus
Fachvortrag in der Hünenburg zu Grabungen in Holtorf-Lunsen / Bootsanleger und Handwerker

ACHIM . Einen spannenden Einblick in ihre Forschungsarbeit präsentierten Kreisarchäologin Jutta Precht sowie lmke Brandt vom Niedersächsischen lnstitut für historische Küstenforschung in Wilhelmshaven. Zum Vortrag über Grabungsarbeiten in Holtorf-Lunsen hatte die Geschichtswerkstatt Achim in das Haus Hünenburg am Dienstagabend eingeladen.
Unter dem Titel "Handwerker am Fluss - Neues von der Ausgrabung in Holtorf-Lunsen" informierten die Wissenschaftlerinnen über römisch-kaiserzeitliche Bootslandeplätze im Bereich der
Allermündung. Jutta Precht lieferte in ihrer Einführung Wissenswertes über die Rekonstruktion der Paläolandschaft und archäologische Grabungsaktivitäten im Landkreis sowie Dokumentation und Archivierung. Anschließend berichtete die gebürtige Verdenerin Imke Brandt über die Holtorfer Fundstelle, wo im September 2017 gegraben wurde.
Die etwa 30 Gäste erfuhren, dass die starke Geestkante ideale Bedingungen für frühzeitliche Siedlungsaktivitäten bot: Es gab trockene Rückzugsgebiete und einen Flusslauf, der Leben und Handel ermöglichte. "So kennen wir im breitgefächerten Urstromtal der Weser und Aller zahlreiche Siedlungsfunde aus der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrtausends, die wie an einer PerIenkette aufgezogen an ehemaligen Flussläufen liegen", erläuterte Jutta Precht.
Hinweise bekomme sie von sogenannten Sondenläufern - Hobbyarchäologen mit denkmalrechtlicher Genehmigung -, die in der oberen Ackerkrume nach metallischen Überresten fahnden. So habe sie von Gerald Neumann 2015 eine Vogelfibel in Form einer Taube erhalten. Diese Gewandschließe sowie weitere Funde am Pepernweg in Holtorf hätten letztlich das Interesse der Forscher geweckt. Allein könne Jutta Precht die Vielzahl der Funde allerdings niemals bewältigen, und sie sei deshalb froh über Unterstützung aus Wilhelmshaven.

Jutta Precht und Imke Bandt

Kreisarchäologin Jutta Brandt (links) und imke Brandt vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung lieferten interessante Einblicke in ihre Vergangenheitsforschung. Foto: Schmidt

Imke Brandt untersucht am Institut die weit reichenden Verbindungen ortsansässiger Germanenstämme in das Römische Reich. Ein komplexer Methodenkanon führte in Holtorf zu einer geomagnetischen Untersuchung einer acht Hektar großen Fläche. Anomalien in der Bodenstruktur ließen Siedlungsaktivitäten zwischen zwei Flussläufen erkennen, Probebohrungen lieferten Sicherheit und führten schließlich zur Grabung. Ein 500 Quadratmeter großer Bereich auf leicht erhöhtem Bodenniveau wurde von einem 14-köpfigen Grabungsteam etwa einen halben Meter abgetragen. In vier Wochen holten Archäologen, Studenten, Bundesfreiwilligendienstler und Ehrenamtliche 177 Funde aus dem Erdreich. Sie fanden Rückstände eingetiefter Grubenhäuser, einen Brunnen mit eingelegter Flechtmatte und Feuerstellen.
Weitere Hinweise deuten auf eine Bootslandestelle und handwerkliche Tätigkeit: So ließ sich ein Webstuhl zur Textilverarbeitung nachweisen, sowie ein Ofen zur Keramikherstellung. Gestampfter Lehm, Gusstiegelchen, verziegelter Lehm, unverbranntes Erz, einige wenige Fließ- und Schmiedeschlacken sowie Hammerschlag und Schweißperlen deuten auf einen Handwerkerbereich. "Es hat wohl keine Verhüttung stattgefunden, aber sicher Eisenverarbeitung", folgert Imke Brandt.
"Diese Grabung zeigt eine Kontaktzone mit vielen kulturellen Einflüssen." Neben römischen Münzen fanden sich unter anderem Briquetage zur Salzgewinnung und Basaltlava als römischer Exportschlager aus der Eifel sowie Keramiken von Elbgermanen.
Ziel der Forschung ist stets die historische Einordnung der Funde, und dazu geht Imke Brandt neue Wege: Um heraus zu finden, ob es sich bei den Flussläufen um Aller oder Weser handelt, lässt sie Sedimentanalysen vornehmen. Denn die Aller werde seither durch die Oker gespeist und Schwermetalle aus bronzezeitlicher und mittelalterlicher Bergbautätigkeit im Harz könnten Aufschluss geben. "Ich gehe von Aller aus", spekuliert Imke Brandt und erwartet gespannt weitere Untersuchungsergebnisse. In diesem Frühjahr soll die Arbeit weiter gehen und letztlich im Januar 2019 zum Abschluss kommen.

nach oben

zurück