Aus dem Achimer Kreisblatt vom 22. September 2007:
Eine schwarz betriebene Krugwirtschaft
Trunk für Besucher des Gohgerichtes ohne Erlaubnis der Königlichen Kammer / Das Hotel Stadt Bremen (II)"
Von Rainer Pöttker

ACHIM . Nach dem Brand entstand innerhalb kürzester Zeit der repräsentative Neubau im Stil der Zeit. Die Einweihungsfeier am zweiten Weihnachtsfeiertag sorgte mit einem rauschenden Festball im neuen Saale für den versöhnlichen Ausklang eines schicksalhaften Jahres.
Auch einige bisher unbekannte Details aus der Anfangszeit konnten dem Vergessen entlockt werden und die Entstehungsgeschichte des bekannten Hauses aufhellen.
Es handelt sich hier um eine alte Brinksitzerstelle mit einem einfachen Bauernhaus, die um 1780 an den Schuster Franz Früchtenicht verpachtet war. Gewöhnlich brachte eine Brinksitzerstelle nicht viel ein, außer einem großen Garten zählte zu jener Zeit kaum Eigentum zur Hofstelle. Deshalb waren die Bewohner solcher Stellen genötigt, sich mit handwerklichen Arbeiten wie Stellmacherei oder als Schuhmacher den Lebensunterhalt für die oftmals vielköpfige Hausgemeinschaft zu sichern.
Zu dieser Zeit befand sich das Gohgericht auf der gegenüberliegenden Straßenseite in dem später als Landratswohnung genutzten Gebäude.

Goldgeld
Notgeld aus dem Jahre 1923.

Damit die vor dem Gerichtsgebäude auf ihren Verhandlungstermin wartenden Leute nicht im Regen oder in der Kälte stehen mussten, witterte die Ehefrau des Schusters Franz Früchtenicht die Chance für eine lohnende Nebeneinnahme und richtete sich in ihrer kleinen Diele auf die Bedürfnisse der Wartenden ein. Man schenkte fleißig Schnaps und Bier aus - selbstverständlich ohne Konzession. Diese schwarz betriebene Krugwirtschaft konnte vor den wachen Augen des Gesetzes nicht ohne Folgen bleiben.
Am 26. November 1784 erreichte sie deshalb folgendes Schreiben an den Oberamtmann von Dankwerth in Bremen: "Da man in Erfahrung gekommen, dass der hiesige Häusling Franz Früchtenicht angefangen, Bier und Branntwein auszuschenken. So ist derselbe aufgefordert worden, dass dergleichen Schenke ohne Erlaubnis von Königlicher Kammer und Erlegung eines jährlichen Krug-Geldes von einem Reichsthaler nicht könne gestattet werden."
Statt seiner erschien desselben Ehefrau Anna Marie und erklärte sich darauf, dass die wenige Nahrung nicht soviel abwürfe, davon jährlich einen Krugthaler zu entrichten und sie es deshalb lieber unterlassen wolle, Bier und Branntwein auszuschenken.
Somit verbot das Gericht den weiteren Betrieb im Früchtenichtschen Hause.
Bereits am folgenden Tage ließ Franz Früchtenicht wiederum durch seine Ehefrau bereitwillig erklären, die geforderte Recognition (Anerkennung, d. Verf.) wegen des Bier- und Branntwein-Ausschankes zu übernehmen und so lange er solche Nahrung betreibe, dafür jährlich einen Reichsthaler auf Martini an den "Krug-Intendanten" zu zahlen.
Man hatte amtsseitig ermittelt, dass seit Ostern 1784 der Ausschank illegal betrieben wurde und somit vom 1. Mai an der Krugtaler fällig sei.
Bereits nach knapp zwei Jahren verließ Früchtenicht mit seiner Familie Achim und aus den Akten ist folgender, interessanter Vermerk zu entnehmen:
"Auf der jetzt Tiedemannschen Brinksitzerstelle hatte vormals nur ein kleines Haus gestanden und ein gewisser Franz Früchtenicht, welcher auch gegenwärtig (1791) noch lebt und zu Grasdorf sich aufhält, in demselben zu Miete gewohnet, indem der Eigenthümer der Stelle, der nun verstorbene Johann Friedrich Tiedemann, dieselbe damals noch nicht selbst bewirtschaftet hat."
Anschließend übernahm der Sohn Johann Hinrich Tiedemann den "Pacht- oder Recognitionskrug" und hatte viel Ärger mit dem gegenüberliegenden Gericht wegen der Höhe der Pachtsumme und der angestrebten "Concession auf Lebenszeit". Der sich daraus entwickelnde ausführliche Schriftverkehr zog sich über 25 Jahre hin und füllte dem Achimer Advokaten Asendorf gewiss die Tasche.

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