Aus dem Achimer Kreisblatt vom 24. März 2015:

Als es jede Menge Milliardäre gab
Geschichtswerkstattabend gilt Inflationszeit

ACHIM "Andenken an eine einstmals traurige Zeit." Diese Notiz fand der heutige Geschichtswerkstatt-Vorsitzende Karlheinz Gerhold als Kind auf einem Bündel einseitig bedruckter Geldscheine im Nachlass seines Großvaters. Die unvorstellbar hohen Beträge wie 20 Millionen oder 1 Milliarde Mark weckten damals sein Interesse - ohne die Hintergründe zu kennen.
Diese Scheine stammen aus der Inflationszeit, die 1923 ihren traurigen Höhepunkt erreichte. Schon seit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 hatten Inflation und Geldentwertung die Menschen fest im Griff, erläuterte Gerhold jetzt bei seinem Vortrag über "Inflation und Notgeld" auf einer Veranstaltung der Achimer Geschichtswerkstatt im Hotel Gieschen.
Zur Verdeutlichung zitierte er aus "Geschichte eines Deutschen" von Sebastian Haffner: "Ein Pfund Kartoffeln, das noch am Vortage 50 000 Mark gekostet hatte, kostet heute schon 100 000. Ein Gehalt von 65 000 Mark, das man am Freitag nach Hause gebracht hatte, reichte am Dienstag nicht aus, um ein Paket Zigaretten zu kaufen".

Die Lokalgeschichtsforscher

Die Lokalgeschichtsforscher Karl-Heinz Hildebrandt, Volker Wolters, Karlheinz Gerhold und Hubert Welter (von links) auf der Geschichtswerkstatt-Veranstaltung über Inflation und Notgeld. Foto: Hemmen

Mit der Inflation kam auch das Notgeld: ein Ersatzzahlungsmittel aus Metall, Papier, Seide - oder auch Briefmarken mit zeitlich und örtlich begrenzter Gültigkeit. Herausgegeben wurde das Notgeld von einer Stadt, Gemeinde, dem Kreis oder sogar Firmen, um den Mangel an staatlichem Geld zu beheben.
Zum Notgeld im Raum Achim liegt erstmals eine präzise Ausarbeitung von Volker Wolters aus Blender vor. Sie war die Grundlage für Gerholds Vortrag.
Die Ausgabe des Notgeldes erklärt Wolters mit dem dramatischen Mangel an Münzgeld. Das Metall wurde zur Herstellung von Kriegsmaterial benötigt. Das Notgeld löste aber auch schnell bei Liebhabern der dekorativen Grafik Sammelleidenschaft aus.
Im damaligen Kreis Achim gab es laut Wolters 1923 eine Ausgabe von Inflationsnotgeld der Bremer Jutespinnerei und Weberei AG in Hemelingen, sowie eine Inflationsausgabe der Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftskammer Hannover über fünf Millionen Mark.
Mit der großen Finanzreform und Herausgabe der so genannten Rentenmark im November 1923 endete die Inflationszeit abrupt. Die Bevölkerung akzeptierte das neue Geld sofort. Es folgten die "Goldenen Zwanziger Jahre". Durch das Münzgesetz vom 30. August 1924 wurde die Reichsmark zum alleingültigen gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt.
Karl-Heinz Hildebrandt von der Geschichtswerkstatt betrachtete eine andere Folge des 1. Weltkrieges: Das Geld der Kriegsgefangenen. Das Lagergeld.
Das Kriegsministerium suchte damit einen Weg, wirtschaftliche Angelegenheiten in Kriegsgefangenenlagern bargeldlos abzuwickeln. Bestechung, Sabotage und Fluchtversuchen sollte so ein Riegel vorgeschoben werden. Mangels einer zentralen Vorschrift wurde vom Armeekorps in eigener Zuständigkeit Notgeld herausgegeben.
Im Zuständigkeitsbereich des Lagers Soltau kamen die Marken zum 15. Januar 1917 zur Ausgabe und behielten bis 1. März 1919 ihre Gültigkeit. Sie trugen den Aufdruck "Soltau" und die Lochung "S.u".
Arbeitgeber und Geschäftsleute durften ab 1917 nur noch Scheckmarken ausgeben oder annehmen. Die Scheckmarken wurden von der zentralen Lagerverwaltung ausgehändigt, nachdem der Betrag in deutscher Währung auf ein besonderes Konto überwiesen worden war.
Nach Abschluss der beiden Vorträge präsentierte Ehrengast Hubert Welter seine umfangreiche Notgeld-Sammlung. Die Geschichtswerkstatt erhielt aus dieser Sammlung eine "Kriegsanleihe", herausgegeben von der Spar- und Leihkasse des Kreises Achim in 1917.

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