Aus dem Achimer Kreisblatt vom 13. Februar 2004:

"Ein planmäßiger Raubzug"
Historiker Hanno Balz untersuchte die Arisierung jüdischen Grundbesitzes in Bremen / "Geschichte ist noch präsent"
Von Jörg Esser

BREMEN. Die "Arisierung" jüdischen Haus- und Grundbesitzes war "ein planmäßiger Raubzug". Daran besteht für Hanno Balz kein Zweifel. Der Bremer Historiker (Jahrgang: 1971) hat jetzt in einem Buch ein Randthema historischer Forschung in deren Mittelpunkt gerückt.
"Die 'Arisierung' von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen" heißt das vom Verein "Erinnern für die Zukunft" herausgegebene Buch, in dem Balz den Gesamtprozess der "Grundstücksarisierungen" in Bremen untersucht. Der Historiker griff dabei auf Akten aus Rückerstattungsverfahren zurück, die bislang nicht zugänglich waren. Und je heftiger der Streit ausgefochten wurde, desto ergiebiger war die Recherche. Die Untersuchung kommt laut Balz zu
"sehr differenzierten Einschätzungen".
Der Druck auf die jüdischen Deutschen, ihr Hab und Gut zu verkaufen und möglichst das Weite zu suchen, setzte spätestens mit der Reichspogromnacht im November 1938 ein. Der Grundstücksverkauf gestaltete sich dabei zunächst einmal "wie ein geregeltes Verkaufsgeschäft - von Privatmann zu Privatmann". Käufer waren häufig Geschäftspartner und Nachbarn. Vernünftige Preise wurden an den Behörden vorbei erzielt, die einschritten, wenn ihnen ein Kaufpreis zu niedrig erschien. Die Käufer haben den Verkäufern dann noch unter der Hand Schwarzgeld gezahlt oder Teile des Mobiliars abgekauft.

Plünderung des Geschäftes Adler

Beginn des "Raubzuges": Am 10. November 1938 wird das Herrenbekleidungsgeschäft Adler verwüstet und geplündert.

Doch häufig ging es den Käufern auch nur darum, sich zu bereichern. "Banken und Sparkassen haben sie dabei bereitwillig unterstützt", sagt Balz. Kredite wurden auch jenen gewährt, die eigentlich gar kein Geld zum Kauf eines jüdischen Hauses hatten. In den letzten Kriegsjahren seien die Grundstücke, die sich noch in jüdischem Besitz befanden, vom Nazi-Staat einfach
beschlagnahmt worden.
Einem jüdischen Hausbesitzer blieb übrigens kaum etwas vom Erlös aus dem Verkauf. Judenvermögensabgabe, Reise-Fluchtsteuer und Auswanderergebühren wurden erhoben, das Geld auf Sperrkontos geparkt. Wer ein Haus verkaufte, durfte lediglich vier Prozent vom Erlös in Devisen umtauschen, so Balz.
Der Historiker ist 247 Grundstücksgeschäften auf die Spur gekommen. 200 wurde im "freien Verkauf" geregelt, 47 Besitztümer wurden beschlagnahmt, darunter ein jüdisches Altenheim in Gröpelingen. Balz hat errechnet, dass die Häuser im Schnitt zu 68 Prozent des damaligen Schätzwertes den Besitzer wechselten.
Viele einstmals jüdische Häuser stehen noch heute, so das ehemalige Bamberger-Kaufhaus in der Faulenstraße oder Teile des Kaufhauses von Heymann & Neumann in der Obernstraße. "Ein gewisser Teil von Geschichte ist noch präsent", sagt Balz.
Der Bremer Historiker, der zurzeit an seiner Doktorarbeit schreibt, stellt sein Buch am kommenden Dienstag, 17. Februar, um 20 Uhr im Presseclub im Schnoor vor.
Das im Bremer Verlag "Edition Temmen" erschienene, mit zahlreichen schwarz-weiß Bildern illustrierte 128-seitige Werk ist für 12,90 Euro im Buchhandel erhältlich.

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