Kreisweites Netzwerk zur Regionalgeschichte ist überfällig!

Jahresbericht der
Geschichtswerkstatt Achim 2009/2010

von Karlheinz Gerhold, Achim-Baden

Auch im Vereinsjahr 2009/2010 führte die Geschichtswerkstatt im 24. Jahr ihres Vereinsbestehens eine ansehnliche Anzahl von Veranstaltungen durch, die die Erforschung und Dokumentation der Regionalgeschichte, wie in der Vereinssatzung vorgesehen, zum Inhalt haben. Das Veranstaltungsprogramm 2009/2010 begann mit der traditionellen Exkursion, die die Geschichtswerkstatt alljährlich an historisch bedeutsame Orte der näheren Umgebung führen soll. Am 2. August 2009 ging es in die Römer-Welt nach Kalkriese bei Osnabruck; ,,2000 Jahre VARUS-Schlacht" lautete das Motto der großen Ausstellung im Museum und Park Kalkriese zur VARUS-Schlacht im Osnabrücker Land, wo - zumindest zum Teil - vor über 2000 Jahren im Jahre 9 n. Chr. der Hinterhalt der Germanen unter Arminius, dem Cheruskerfürsten, gegen die römischen Legionen des Quintilius Varus stattfand. Die Schlacht endete mit der fast völligen Vernichtung der römischen Einheiten und dem Se!bstmord des Varus, des Statthalters des Kaiser Augustus, der laut Sueton bei Erhalt der Nachricht von der Niederlage ausgerufen haben soll: "Quintili Vare, legiones redde! - Quintilius Varus, gib mir meine Legionen zurück!" Obwohl es hauptsächlich um Krieg und Gewalt geht, war der Ausflug durch kindgerechte Führung auch für die Kindergruppe des Ferienspaßprogramms eine lehrreiche Exkursion, die auch Handel und Wandel und die Beziehungen zwischen Römern und Germanen in Friedenszeiten zum Inhalt hatte.

Am 8. September 2009 referierte Karl Heinz Hildebrandt über die Steuben-Kaserne in Achim-Uesen und ihren Namensgeber. Besonderer Anlass war die Herausgabe der Chronik der Steuben-Kaserne, die Hildebrandt für die Reservistenkameradschaft Achim e.V. mit viel Liebe zum Detail von den Anfängen bis zur Konversion 2003 erstellt hatte. Am Tag des Offenen Denkmals am 19. September 2009 führte Stadtarchivar Karlheinz Gerhold durch die Pretiosen des Stadtarchivs im Achimer Rathaus. Am 27. September präsentierte Erika Streuer ihre Forschungsergebnisse zur Firmen- und Familiengeschichte der Achimer Familie Waje. Dr. Joachim Woock setzte am 6. Oktober 2009 seine Vortragsreihe zur Geschichte des Nationalsozialismus im Landkreis Verden mit einer erschütternden Darstellung der Schicksale von kreisverdener Euthanasieopfern fort. Das traditionelle Jahresabschlusstreffen am 1. Dezember 2009 beendete das Vereinsjahr 2009 bei heißem Punsch im Kulturhaus Alter Schützenhof.

Auch für das neue Jahr 2010 hatte sich der Verein für Regionalgeschichte wieder recht viel vorgenommen - die Geschichtswerkstatt Achim, die im Jahre 2011 schon ihr 25-jähriges Vereinsbestehen begehen wird. Den Auftakt der Aktivitäten machte am 9. Februar 2010 die Jahreshauptversammlung mit Vorstandsneuwahlen und inhaltlicher Programmdiskussion. Die Versammlung wählte Karlheinz Gerhold (1. Vorsitzender), Elke Gerbers (2. Vorsitzende), Edith Bielefeld (Schriftführerin), Hartmut Nill (IT-Verantwortlicher), Helmut Maack(Kassenverwalter) und Gisela Galle, Jakob PrüB und Karl Heinz Hildebrandt (als Beisitzer) in den Vorstand; Kassenprüfer wurden Manfred Drees und Werner Esdohr.

Am 7. März 2010 erläuterte Bruno Kitow im Haus Clüver Hintergründe zur Geschichte und Entwicklung des Achimer Krankenhauses und des lokalen Gesundheitswesens und stellte dabei auch die Entstehungsgeschichte seines gerade veröffentlichten Buches über diese Thematik vor.
Am gleichen Tage präsentierte Vereinschef Karlheinz Gerhold Heft 15 des regionalhistorischen Magazins der Geschichtswerkstatt Achim, der Achimer Geschichts-Hefte, von denen Heft 1 im Jahre 1988 - im zweiten Jahr nach der Vereinsgründung - erschienen war. Das neue Heft enthält u.a. einen Beitrag über den aktuellen Stand der Forschungsergebnisse über die Hünenburg in Baden, den Vereinsmitglied Karl Heinz Hildebrandt verfasst hat, sowie einen Artikel über das Winterhilfswerk im Dritten Reich aus der Feder von Karlheinz Gerhold. Unter dem Titel "So war Alt-Achim wirklich" werden zudem auszugsweise Erinnerungen eines (längst verstorbenen) alten Achimers an seine Jugendzeit vor über 100 Jahren vorgestellt. Dank gebührt insbesondere dem Layouter Werner Esdohr.

Am 6. April 2010 referierte dann Dr. Joachim Woock aus Verden in der Reihe seiner Vorträge über die Zeit des Nationalsozialismus zum Thema "Verwahranstalten für Säuglinge von osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen im Landkreis Verden".
Am 2. Mai 2010 besuchte die Geschichtswerkstatt dann das Bassener Dorfmuseum. Die ehrenamtlich geführte Einrichtung beeindruckte die Gäste aus der Nachbarstadt sichtlich. Schnell kam bei der fundierten Führung durch Wilhelm Kruse die Frage auf, wie der kleine Ortsteil eine solch beachtliche Sammlung gekonnt präsentieren kann, während Achim als größte Stadt im Landkreis Verden immer noch auf eine ähnliche Möglichkeit wartet, obwohl es ausstellungswürdige Exponate zuhauf gibt. Kruse erläuterte, dass über 80 Prozent der gezeigten und mit viel Liebe zum Detail präsentierten Objekte direkt aus Bassen stammten und großes ehrenamtliches Engagement die Einrichtung erst möglich gemacht habe.

Der Baden-Experte Heinz Kuhlmann steuerte dann am 25. Mai 2010 Historisches über die Brinksitzer, Anbauer und Häuslinge in Baden bei. Dabei handelt es sich bereits um Recherchen, die die Geschichtswerkstatt und ihr Baden-Spezialist für die große 1000-Jahr-Feier des Ortsteils im Jahre 2013 anstellen.

Am 3. Juni 2010 erläuterte Dr. Joachim Woock unter dem Titel "Denkorte im Landkreis" während einer Informationsveranstaltung das Konzept "Erinnerungskultur und Demokratiebildung - Denkorte im Landkreis Verden"; Veranstalter waren neben der Geschichtswerkstatt Achim das Netzwerk "Erinnerungskultur und Demokratiebildung", dem u.a. auch der Verein für Regionalgeschichte Verden e.V. und die Geschichtswerkstatt Sachsenhain angehören. Hierbei geht es im Rahmen eines pädagogischen Ansatzes um eine kreisweite Initiative zur Aufstellung von Stelen mit historischen Informationen an historisch relevanten Orten und Plätzen, u.a. auch um die Erinnerung an Verfolgte des Nazi-Regimes aufrecht zu erhalten.
Auch die Geschichtswerkstatt Achim unterstützt in diesem Zusammenhang die Initiative zur Einrichtung eines kreisweiten Netzwerkes und Zentrums zur Regionalgeschichtsforschung: Regionalgeschichtsforschung im Landkreis Verden einschließlich der Zeit des Nationalsozialismus ist sicher kein unbestelltes Feld - im Gegenteil: Etliche Publikationen sowie die Aktivitäten der Geschichtswerkstätten, der Geschichtsvereine und kommunalen Einrichtungen brauchen keinen Vergleich zu anderen Regionen zu scheuen. Allerdings sind die meisten Projekte und Aktionen - auch von ihrer Außenwirkung her - örtlich beschränkt. Und genau hier ist die Politik gefordert. Es sollte eine Initiative für die Schaffung eines kreisweiten Netzwerks zur Regionalgeschichtsforschung gestartet werden, das die bisherigen Aktivitäten der Geschichtswerkstätten, Geschichtsvereine und Museen und Archive im Kreisgebiet bündeln und optimieren soll. Unverzichtbare Eckpunkte für ein zu erarbeitendes Grundsatzpapier sind dabei die Einbeziehung des gesamten Kreisgebietes und die pädagogische Ausrichtung im Sinne eines forschenden Lernens. Daher müssen die Schulen auch unbedingt mit ins Boot. Das Ziel muss eine koordinierte Präsentation von Orten des Erinnerns und historischen Stätten sein, mit deren Hilfe man Interessierten, aber vor allem Schülerinnen und Schülern Aspekte der großen und kleinen Geschichte ortsnah und damit plastisch und konkret vermitteln und begreifbar machen und vor allem Anregungen zur weiteren und eigenen Recherche geben kann. Dass dabei der Teil unserer Geschichte, der niemals dem Vergessen anheimfallen darf, im Zentrum stehen wird und muss, ist unabdingbar. Das Konzept des Vereins für Regionalgeschichte Verden e.V. zur Aufstellung von Stelen mit geschichtlichen Informationen zu Menschen und Orten der Geschichte in unmittelbarer Nachbarschaft könnte hier über Verden hinaus und dezentral weiterentwickelt werden. Ein regionalhistorisches Netzwerk wird sich verstärkt des Internets bedienen und mit einem eigenen Internetauftritt ein Forum zur Verbesserung des Informationsflusses und zur Verbreitung von Forschungsergebnissen schaffen. Aber das Ganze geht nicht nur virtuell: Geschichte braucht Räume, und zwar im Wortsinne: Neben den Räumlichkeiten, die die öffentlichen Einrichtungen wie die Stadt- und Gemeindearchive und das Kreisarchiv sowie die Museen bieten, kann die Gründung einer Einrichtung zur Lokalgeschichte am Cato Bontjes van Beek-Gymnasium zweckmäßig sein, die sich vornehmlich mit der Geschichte und den Archivalien zum Leben ihrer Namenspatronin, der von den Nazis ermordeten Freiheitskämpferin aus Fischerhude, Cato Bontjes van Beek, befassen könnte. Dem Vernehmen nach ist die Schulleitung wegen der Übernahme wertvoller Dokumente und Fotos mit der Familie Bontjes van Beek bereits im Kontakt.
All das ist nicht zum Nulltarif zu haben: Die Federführung bei der Umsetzung dieser Initiative könnte nach der Vorstellung der Geschichtswerkstatt Achim das Kreisarchiv übernehmen.

Am 6. Juni 2010 folgte schließlich noch eine Fahrt ins Spargelland nach Nienburg - mit Führung durch das dortige Spargelmuseum, einer Besichtigung der St. Laurentius-Kirche Liebenau und einem zünftigen Spargelessen vor Ort.

Regelmäßige regionalhistorische Sprechstunden im Haus Clüver rundeten das vielseitige Veranstaltungsprogramm ab, von dem Vieles auch auf der Internetpräsenz der Geschichtswerkstatt Achim unter www.geschichtswerkstatt-achim.de nachgelesen werden kann. Daneben befindet sich auch noch die neue von der Geschichtswerkstatt initiierte Internetpräsenz über die Geschichts- und Heimatvereine und Archive, Museen und Sammlungen im Landkreis Verden unter www.geschichte-im-landkreis-verden.de im Aufbau. Monika und Helmut Köhler haben sich mit großem Elan der Katalogisierung des umfangreichen Vereinsarchivs angenommen. Die ständig wachsende Datei mit den erfassten Archivalien wird demnächst auf die genannte Homepage eingestellt.



Publikationen
1. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Achimer Geschichts-Hefte, Heft 15, Achim 2010, 60 Seiten
2. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Das erste Mal in Achim - ein Bildkalender in alten Ansichten für das Jahr 2010, Verden, Haus der Werbung, 2009
3. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Grußkarte zum Neujahr 2010, Achim 2009
4. Gerhold, Karlheinz, Jahresbericht der Geschichtswerkstatt Achim 2008/2009, in: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2010, Verden 2009
5. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), ,,2: 1" - Zeitzeugenberichte über die Nachkriegszeit - Achimerinnen und Achimer erinnern sich an die Zeit 1945 bis 1955, Verden, Haus der Werbung, 2009.

nach oben

zurück