Jahresbericht der
Geschichtswerkstatt Achim
2003/2004

(von Karlheinz Gerhold, Achim-Baden)

Im Berichtszeitraum, dem 17. Jahr seit der Gründung des Vereins, hat sich die Geschichtswerkstatt Achim mit ihren über 90 Mitgliedern erneut aktiv dem satzungsmäßigen Zweck der Förderung der Erforschung und Dokumentation der Regionalgeschichte gewidmet. Zur Achimer Regionalgeschichte bietet die Geschichtswerkstatt Achim auf ihrer Internet-Seite www.geschichtswerkstatt-achim.de etliche Details.


Veranstaltungen

Das Veranstaltungsjahr 2003/2004 begann am 31. August 2003 mit dem erstmals veranstalteten Achimer Geschichts-Quiz, das die Geschichtswerkstatt aus Anlass des Achimer Stadtfestes anbot.

Aus den rund 150 Einsendungen ermittelte die Jury der Geschichtswerkstatt, bestehend aus Karlheinz Gerhold, Elke Gerbers, Eberhard Falkenstein, Reiner Aucamp, Helmut Cyriacks, Hartmut Nill und Marcus Pfeifer, immerhin 81 richtige Lösungen. Einfach war es nicht gewesen, denn es galt 15 Fragen zur Achimer Regionalgeschichte zu beantworten. Besondere Schwierigkeiten machten die Fragen nach der Bedeutung des Wortes Achim ("Heim am Wasser"), nach dem Krieg, auf den das Langensalza-Denkmal im Alten Rathaus-Park hinweist ("Preußisch-Hannoverscher Krieg 1866"), und nach dem Achimer Bürgermeister, der 1969 amtierte (natürlich bereits Christoph Rippich). Dass im 19. Jahrhundert nicht die Schnapsbrennerei, sondern die Zigarrenfabrikation zu einem drastischen Bevölkerungsanstieg in Achim führte, wussten dagegen fast alle. Aus den 81 richtigen Lösungen zogen Vereinsvorsitzender Karlheinz Gerhold und Vorstandsmitglied Elke Gerbers 26 Preisträger. Der Einkaufsgutschein über 50 EUR ging an Simon Drees aus Baden. Den 2. Preis (Gutschein über 30 EUR) erhielt die Schülerin Hamile Senol, die bei der Ziehung im Haus Clüver auch anwesend war und die Glückwünsche zum Gewinn gleich entgegen nehmen konnte. Dort hatte die Geschichtswerkstatt in einer kleinen Ausstellung einige Exponate aus der 20-jährigen Geschichte der bisherigen 11 Achimer Stadtfeste zusammengetragen, darunter der Bierhumpen und der Werbeaufkleber des ersten Stadtfestes aus dem Jahre 1982, das von einem "Elferrat" organisiert worden war.

Am 02. September 2003 referierte Baden-Kenner Heinz Kuhlmann zur Sozial- und Siedlungsgeschichte des Dorfes Baden. Am 14. September 2003, dem Tag des Offenen Denkmals, führte Elke Gerbers durch die St. Laurentius Kirche; anschließend führte Andreas Voß über den jüdischen Friedhof in Achim und gab zu dessen bewegender Geschichte ausführliche Informationen. Die Exkursion in die nähere Umgebung führte am 21. September 2003 nach Nienburg mit Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Innenstadt.. Am 04. November 2003 folgte ein Vortrag zum "Alltäglichen Faschismus - Achim im III. Reich", den Edith Bielefeld, Marcus Pfeifer und Karlheinz Gerhold in Gieschens Hotel hielten. Im Zentrum der Veranstaltung standen zahlreiche Fotos und Dokumente zur Geschichte des Faschismus in der Region Achim.

Auf Einladung der Geschichtswerkstatt Achim hielt der Direktor des Instituts für Geschichte und Historische Landesforschung an der Universität Vechta, Prof. Dr. Bernd Ulrich Hucker, am 18. November 2003 einen gut besuchten Vortrag zum Thema: "Baufieber" gegen Ende des 11. Jahrhunderts - Neubauten in Achim, Bremen und andernorts." Die Epoche der großen Salierkaiser wird meist und auch zu Recht mit den monumentalen Bauwerken der Dome zu Speyer und Worms verbunden. Weniger bekannt ist, dass auch von den glanzvollen Zentren der Kaiserherrschaft entfernte Landstriche damals eine rege Bautätigkeit entfalteten. Der Referent verwies auf den mit Portasandstein errichteten Verdener Dom von 1028, dessen südwestlichen Glockenturm und Mauern des Kapitelgebäudes.
Hucker hatte 1990 die Putzritz-Inschrift A M XC im Portal des Turmeinganges der Achimer St.Laurentiuskirche, des ältesten Gebäudes Achims, entdeckt, also "Anno M XC" (vgl. Foto und Bericht in den Achimer Geschichtsheften 5, Oktober 1991). In den vergangenen Jahren beschäftigte er sich mit vergleichbaren Inschriften und stieß auf bemerkenswerte Parallelen. Am verblüffendsten ist eine schon früher gefundene Inschrift im gleichen Schriftduktus am Eingang des Teufelslochs in der Burgruine Regenstein (Ostharz). Die archaisch wirkende Inschrift in Majuskeln lautet ANO MXC DIE ANNAE. Die Harzburgen spielten eine Rolle in den Kämpfen zwischen Kaiser Heinrich IV., zu dessen engsten Vertrauten der Bremer Erzbischof Liemar - ein bayerischer Dienstmannensohn - gehörte, und seinen fürstlichen Gegnern. Die Opposition wurde u.a. von den Herzögen von Sachsen sowie den Grafen von Stade, von Northeim, von Sommerschenburg und von Süpplingenburg gebildet. All die genannten hatten Teil an den parallelen Kämpfen im Erzstift Bremen, die u.a. um 1090 zur Verurteilung des Edelherren Gerhard von Stumpenhusen in Achim führten. Der Friedensschluss mit dem Stumpenhuser, der seine Burg in Wietzen (Kreis Nienburg) hatte, ist in zwei Bischofsurkunden Liemars von 1091 dokumentiert, in denen auch des großen Landtages zu Achim und der Teilnahme vieler der genannten Fürsten gedacht wird. In einer dieser Urkunden wird Achim 1091 als "villa quae dicitur Acheim" erstmals urkundlich erwähnt. Der vorgenommene Inschriftenvergleich ergibt nun, dass es sich bei der Achimer Putzzeichnung wohl kaum um eine Gedenkinschrift, sondern um eine Bauinschrift vermutlicher geistlicher Auftraggeber handelt. Demnach wäre der damalige Neubau der Achimer St. Laurentiuskirche 1090 abgeschlossen oder geweiht worden. Bauherr war hier wie auch an der Bremer Domkirche St. Petri das Domkapitel zu Bremen. Nur in dessen Auftrag handelte Erzbischof Liemar, als er vor 1091 Baustoffe aus den Steinbrüchen von Aspice, heute eine Dorfwüstung bei Rehburg, beschaffte. Dort fand der Rehburger Heimatforscher August Lustfeld vor einiger Zeit die Fundamente eines kleinen Stifts, das Erzbischof Adalbert gegründet hatte. Hucker regte an, die Beschaffenheit von Stein und Mörtel am Achimer Turmfundament mit dem Sandstein von der Porta sowie aus Aspice und Obernkirchen zu vergleichen. "CSTRVCTOR hVIVS AECLAE" (=constrvctor hvivs aecclesiae), Erbauer dieser Kirche, nennt die Inschrift auf einer Bleitafel aus seinem Grab im Bremer Dom den 1101 verstorbenen Erzbischof Liemar - eine geeignete Überschrift für Liemars Beziehungen zu Achim.

Während der traditionellen Weihnachtsfeier am 02. Dezember 2003 präsentierte der Vorstand der Geschichtswerkstatt zwei Bildkalender 2004 mit historisch wertvollen Fotos aus Alt-Achim und Alt-Baden. Dem folgte am 05. Dezember 2003 die Eröffnung einer Ausstellung in der Sparkasse Baden mit alten Achimer und Badener Ansichten. Gleichzeitig stellte der Verein die neue Publikation vor: "Konfirmationen in Achim-Baden 1920 - 2000" mit Konfirmationsbildern aus 80 Jahren Badener Ortsgeschichte. Zusammengestellt und beschriftet hat Reiner Aucamp die auch genealogisch wertvollen Fotos; das Buch erschien im Verlag Haus der Werbung, Verden.

Die Jahreshauptversammlung wählte am 03. Februar 2004 als Vorstand Karlheinz Gerhold (1. Vorsitzender), Sabine Osmers (2. Vorsitzende), Reiner Aucamp (Kassenverwalter), Karl Heinz Hildebrandt (Redaktionssprecher), Edith Bielefeld (Schriftführerin) und Elke Gerbers, Heinz Kuhlmann und Helmut Cyriacks als Beisitzer sowie Friedrich Bischoff und Hartmut Nill als Kassenprüfer.

Andreas Voß referierte am 09. Februar 2004 über die jüdische Gemeinde in Achim 1743 - 1943. Am 02. März 2004 hielt Karl Heinz Hildebrandt einen Vortrag über die Läufe der Weser und Aller im Laufe der Jahrhunderte: "Alles im Fluss". Edith Bielefeld und Karlheinz Gerhold referierten auf Einladung des ver.di-Ortsvereins Achim über die Achimer Arbeiterbewegung.

Dem folgte schließlich am 09. Mai 2004 eine Ausstellung im Haus Clüver zum "Winterhilfswerk - Abzeichen und Plaketten - Sammeln im III. Reich". Gezeigt wurden Abzeichen, Plaketten und Sammelfiguren des Winterhilfswerks (WHW) aus den Jahren 1933 bis 1943, die sich allesamt im Besitz von Karl Werner Diers aus Verden befinden.
Karl Werner Diers, Jahrgang 1929, hatte die Sammlung als Kind zusammengetragen und aufbewahren können und sie der Geschichtswerkstatt für die Ausstellung als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Wie alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens war in der Zeit des Faschismus auch die Sammelleidenschaft der Ideologie der nationalsozialistischen Machthaber unterworfen. Das dokumentieren eindrucksvoll Propaganda und Inhalte der Exponate.
Das WHW wurde im Dienst der faschistischen Staatsideologie durchgeführt, die bei Straßensammlungen und Spendenanfragen erzielten Erlöse kamen aber nur denen zugute, die dem NS-Staat positiv gegenüberstanden oder zumindest keinen Widerstand erkennen ließen. Der WHW sollte als Notmaßnahme ab 1933 schnelle Erfolge bei der Bekämpfung der Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut zeitigen. Es wurde u.a. Geld, Lebensmittel, Kleider für Arbeitslose und Hilfsbedürftige gesammelt.
In dem zeitgenössischen "Handbuch der WHW-Abzeichen" aus dem Jahre 1939 heißt es im Geleitwort ganz im Stile der Propaganda des 3. Reichs: "Ein Volk hilft sich selbst! WHW - Ein Satz und nur drei Buchstaben, aber eine weltumspannende Bedeutung für jeden, der den Sinn des Nationalsozialismus erfasst hat. Für uns Deutsche aber eine große Opfergemeinschaft bis zum letzten Mann!"
In einer Information des Heimatmuseums Nauheim heißt es:
"Nach seiner Gründung im September 1933 nahm es als Organisation und im Spendenaufkommen schnell gewaltige Ausmaße an. Durch die während der Wintermonate angeordneten und in der NS-Propaganda breit dargestellten Haus- und Straßensammlungen sowie nicht zuletzt durch seinen Abzeichenverkauf wurde das WHW zu einer der bekanntesten Erscheinungen im NS-Regime. Etwa 8.000 verschiedene Abzeichen in Millionenauflage wurden von Oktober 1933 bis März 1943 in unterschiedlichsten Ausführungen und Materialien zu den monatlichen Sammlungen und lokalen Anlässen herausgegeben.
Das der Aufsicht des Propagandaministeriums unterstehende WHW erreichte jedoch weitaus höhere Einnahmen durch Sach-, Steuer- und Geldspenden, die von Einzelpersonen, Firmen oder Verbänden geleistet wurden. Eintopfsonntage, Winterpfennige, Lotterien und Kulturveranstaltungen, die vom Deutschen Roten Kreuz, der Wehrmacht und anderen Organisationen durchgeführt wurden, vervollständigten die von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) angestrebte Mobilisierung der Volksgemeinschaft durch das WHW. Dienten die Einnahmen in den ersten Jahren noch der Linderung der Not von Arbeits- und Obdachlosen, so schufen sie ab 1936/37 die finanzielle Basis der NS-Volkswohlfahrt, mit der das WHW organisatorisch und personell eng verflochten war.
Für das WHW hat das ganze Volk gespendet. Und die Zahl derer, die vom WHW unterstützt wurden, ging in die Millionen, zumindest in den Anfangsjahren. Das WHW organisierte in ganz Deutschland Straßensammlungen, deren Erlös notleidenden und sozial schwachen Landesteilen zugeführt wurde. Vor allem während der Wintermonate startete das WHW verschiedene Aktionen, z.B. Kleidersammlungen. Die Bevölkerung war aufgefordert, mit Naturalien- und Geldspenden die Not der Hilfsbedürftigen zu lindern. Bei den Straßensammlungen wurden die Geldspenden mit kleinen Abzeichen und Plaketten vergütet. Die meisten dieser Abzeichen entstanden in Gebieten, die, industriell benachteiligt, auf kleine Handwerksbetriebe und Heimarbeit angewiesen waren. So kamen z.B. aus dem Erzgebirge kleine Holzfiguren und Schnitzereien, aus dem Sudetenland Rosetten aus Klöppelspitze. Die kleinen Kunstwerke wurden gern gekauft und schon damals gesammelt.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Sammelaktionen des in Kriegswinterhilfswerk umbenannten WHW unvermindert fortgesetzt. Der Appell an die Opferbereitschaft erschöpfte sich in den letzten Kriegsjahren jedoch immer mehr; zu viele Spender waren selbst bedürftig geworden."
Die Reichsregierung - das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung war längst durch das Führerprinzip ersetzt worden - hatte am 1.12.1936 das Gesetz über das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes erlassen. Danach war es eine rechtsfähige Stiftung. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Goebbels bestimmte die Verfassung der Stiftung und führte und beaufsichtigte sie. Die Geschäfte führte ein von Hitler selbst ernannter Reichsbeauftragter für das Winterhilfswerk.
Alles war bis aufs kleinste durchorganisiert, geregelt und beaufsichtigt: Sogar das Sammeln der Abzeichen, Plaketten und Figürchen, die Spender der Straßen- und Haussammlungen erhielten. So zeichneten für das erwähnte Handbuch der "Reichssammlerwart Ernst Overmann" und der "Leiter des Fachgebietes Abzeichen und Plaketten" verantwortlich. Auch in Achim beteiligten sich viele an den WHW-Sammlungen. So finden wir im Protokollbuch des Gesangvereins Harmonie Baden den Hinweis, dass Mitglieder des Vereins am 25. Oktober 1942 für das WHW eingesetzt wurden.
Die Geschichtswerkstatt Achim setzte mit dieser Ausstellung ihre Veranstaltungsreihe zum 3. Reich fort, die unter dem Motto steht "Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen!"

Abgerundet wurde das Jahresprogramm durch mehrere regionalhistorischen Sprechstunden und Arbeitsgruppentreffen im Haus Clüver.


Veröffentlichungen

1. Aucamp, Reiner, Konfirmationen in Achim-Baden 1920 - 2000, herausgegeben von der Geschichtswerkstatt Achim, Verden, Verlag Haus der Werbung 2003, 172 Seiten.

2. Gerhold, Karlheinz, Jahresbericht der Geschichtswerkstatt Achim 2002/2003, In Heimatkalender für den Landkreis Verden 2004, Verden 2003, S. 316 ff.

3. Gerhold, Karlheinz, "Nur die Hoffnung festgehalten!" - Schlaglichter aus der Geschichte der Achimer Arbeiterbewegung - Teil 9: 1929, In Heimatkalender für den Landkreis Verden 2004, Verden 2003, S. 113 ff.

4. Gerhold, Karlheinz, 100 Jahre Harmonie in Baden, Aus der Chronik des traditionsreichen Gesangvereins "Harmonie" Baden 1903 - 2003, Achim 2003, 44 Seiten.

5. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.): Historisches Baden, Bildkalender 2004, Verden, Haus der Werbung, 2003.

6. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.): Historisches Achim, Bildkalender 2004, Verden, Haus der Werbung, 2003.

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