Jahresbericht der
Geschichtswerkstatt Achim
2005/2006

(von Karlheinz Gerhold, Achim-Baden)

20 Jahre Geschichtswerkstatt Achim

Geschichtsforschung aus der Sicht der Betroffenen
An Achim im III. Reich schieden sich die Geister!


Vor 20 Jahren am 1. Oktober 1986 gründeten 22 an der Regionalgeschichte Interessierte im Gasthaus am Badener Berg den Verein für Regionalgeschichte Achim, der sich dann kurze Zeit später Geschichtswerkstatt nannte. Vorausgegangen war eine Initiative der Stadt, die durch mehrere ABM-Kräfte unterstützte Arbeitsgruppen zur Erforschung der Regionalgeschichte ins Leben gerufen hatte. Daraus sollte sich ein Heimat- und Geschichtsverein konstituieren, der sich die Erforschung der lokalen Geschichte auf die Fahne schreiben sollte. Doch es kam anders.

An der Frage, ob auch das Thema "Achim im III. Reich" und die Zeit des Nationalsozialismus erforscht werden sollten, schieden sich die Geister. In der Art eines Tribunals teilten die späteren Gründer des Heimatvereins Achim dem Vertreter der Arbeitsgruppe Geschichtswerkstatt Karlheinz Gerhold im Haus Clüver mit, dass man den Faschismus ausklammern wolle, um nicht Nachfahren der Achimer Nazis zu düpieren.

Doch gerade diese Phase der deutschen Geschichte zu erforschen und ihre Auswirkungen vor Ort zu dokumentieren, war und ist nach wie vor eines der Hauptanliegen der bundesweiten Geschichtswerkstattbewegung, die seit den 80er Jahren neue Wege der Geschichtswissenschaft und ihrer Rezeption beschritt.

Dieser Bewegung, die aus der Sicht der Betroffenen, der Bevölkerung, der kleinen Leute die Auswirkungen der "großen Politik" analysieren will, fühlt sich die Geschichtswerkstatt Achim bis heute verbunden. Ihr Motto "Grabe, wo du stehst!" ist bis heute Leitmotiv des Vereins.

So kam es also am 3. September 1986 zum Zerwürfnis mit den Vertretern des im Aufbau befindlichen Heimatvereins. Die Arbeitsgruppe Geschichtswerkstatt, die bis heute die Geschichte Achims im III. Reich als eines ihrer Schwerpunktthemen ansieht, wurde aufgefordert, die gemeinsame Planungsgruppe des noch zu gründenden Heimatvereins zu verlassen und eigene Wege zu gehen. Seither erforschen zwei Vereine mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielvorstellungen die Achimer Regionalgeschichte. Aus heutiger Sicht sicher ein großer Glücksfall, der die Pluralität unserer Gesellschaft begünstigt und eine gegenseitige Behinderung der Arbeit verhinderte. Im Gegenteil: Heute bestehen gute vereinsübergreifende Kontakte; vor allem durch die gute Zusammenarbeit der beiden ehrenamtlichen Stadtarchivpfleger vom Heimatverein und von der Geschichtswerkstatt.

Die Vereinsgründung der Geschichtswerkstatt selbst erfolgte am 1. Oktober 1986 im Gasthaus am Badener Berg, das bis zum Einzug im 1. Obergeschoss des Hauses Clüver im Jahre 1990 als Vereinslokal des jungen Vereins diente. Als fünfköpfigen Vorstand wählte die Gründungsversammlung Karlheinz Gerhold (1. Vorsitzender), Ingeborg Oelkers (2. Vorsitzende), Hans-Georg von Horn (Kassenverwalter), Wolfgang Meyer (Redaktionssprecher) und Christian Just (Schriftführer). Seit ihrer Gründung hat die Geschichtswerkstatt das Achimer Kulturleben und die Regionalgeschichtsforschung durch unzählige Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen, Exkursionen, Ferienspaßangebote und Veröffentlichungen bereichert.
Gern berichtet Vereinschef Gerhold von seiner Gründungslegende: "Als junger Student der Geschichte an der Bremer Uni bemühte ich mich um Literatur zur Achimer Geschichte. Die Antwort des Achimer Buchhandels damals Anfang der 80er lautete: Bücher zur Achimer Geschichte musst Du selber schreiben - da haben wir nichts!"

Und genau das hat die Geschichtswerkstatt gemacht und gefördert. Allein mit den Achimer Geschichts-Heften liegen elf Ausgaben voller historischer Fakten und Infos zur lokalen Historie vor. Heft XII der Achimer Geschichts-Hefte wird noch dieses Jahr erscheinen.
Etliche Monographien runden heute das Angebot an Fachliteratur ab, darunter viele Werke, mit denen die Geschichtswerkstatt Pionierarbeiten leistete. Hervorzuheben sind insbesondere der Stadtrundgang durch 5 Jahrzehnte jüngerer Stadtgeschichte, der aus Anlass der 50-Jahr-Feier der Stadtrechte 1999 in Zusammenarbeit mit dem Achimer Kreisblatt im Verlag Atelier im Bauernhaus Fischerhude unter dem Titel "Bilder aus dem Leben einer Stadt - 50 Jahre Stadt Achim" erschien.
Als größten Erfolg verbuchte der Verein 2005 die große Ausstellung "Leben in Achim vor 60 Jahren", die 1.200 Besucher ansahen!
Zahlreiche Details zur Regionalgeschichte finden sich auf der professionell vom Webmaster Hartmut Nill gestalteten Internet-Seite
www.geschichtswerkstatt-achim.de.


Veranstaltungen

Im Berichtszeitraum 2005/2006 hat die Geschichtswerkstatt Achim erneut mit etlichen Vortragsveranstaltungen, Exkursionen, Ausstellungen und Publikationen die Regionalgeschichte gefördert. Das Veranstaltungsjahr begann am 21. August 2005 mit einer Exkursion im Rahmen des städtischen Ferienspaßprogramms nach Stade "zu den alten Schweden", die Stade im 17. Jahrhundert als Residenzstadt der Herzogtümer Bremen und Verden ausbauten. Schwedenspeicher und die historische Altstadt Stades boten den Schülerinnen und Schülern viel Wissenswertes zur Geschichte der Region. Immerhin waren die schwedischen Generalgouverneure in Stade gleichzeitige Gohgräfen des Gohgerichts Achim.

Am Achimer Stadtfest vom 2. bis 4. September 2005 beteiligte sich die Geschichtswerkstatt mit einem "Achimer Geschichts-Quiz", an dem über 80 Geschichtsinteressierte teilnahmen. Anja Stahnke gewann den 1. Preis - einen Büchergutschein im Wert von 50 EURO.

Die zweite Exkursion hatte am 11. September 2006 die Stadt Walsrode sowie den Rischmannshof mit dem Hermann-Löns-Zimmer zum Ziel.

Aus aktuellem Anlass hatte die Geschichtswerkstatt in Kooperation mit dem NABU-Kreisverband Verden, dem Verein Altes Öllager e.V. und der Agenda-Gruppe "Stadtwald" am 13. September zu einem Symposium über "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des alten Öllagers in Baden und Uesen" geladen, an dem 80 Personen teilnahmen. Hartmut Hagemann und Heinz Kuhlmann steuerten ihr Wissen zur Historie des Geländes bei.

Im Oktober 2006 organisierte die Geschichtswerkstatt Achim unter dem Titel "Eine Stadt erinnert sich - Leben in Achim vor 60 Jahren" eine große Ausstellung zur Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit vor Ort nebst einem attraktiven Rahmenprogramm. Das Organisationsteam um Sieglinde Falkenstein und Edith Bielefeld konnte sich schließlich über 1.200 Besucher freuen, die sich Ausstellung im Ratssaal im Rathaus und die Begleitveranstaltungen besuchten, wie die Lesung mit dem Schauspieler Oliver Peuker "Aus den wilden Nachkriegsjahren im Kreis Verden" von Georg Peinemann am 2. Oktober 2006, die Filmvorführung des Kommunalen Kinos am 3. Oktober "Das Mädchen Marion" (1956), den Gesprächsabend mit dem Journalisten Holger Baars über die "Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen im Landkreis Verden" am 4. Oktober, die Veranstaltung "Kauf dir einen bunten Luftballon" am 8. Oktober mit Liedern und Texten zum Thema "Volksseele im Schlager" mit Regine Horn, Detlef Wülbers, Ursula und Hans-Ludwig Schröder und Sieglinde und Eberhard Falkenstein und schließlich am 9. Oktober das Mandolinen-Konzert in der Achimer Mühle unter Leitung von Friedrich Strahmann.

Im Vereinssitz, dem Haus Clüver, zeigte der Verein am 27. November eine kleine Ausstellung mit den Siegeln aller deutschen Kaiser und Könige.

Während der traditionellen Jahresabschlussfeier am 13. Dezember präsentierte Dominik Lerdon die Ergebnisse seines Projektes "Achimer Schüler befragen Zeitzeugen zum III. Reich in Achim".

Erste Veranstaltung im Jahre 2006 war am 24. Januar ein Dia-Vortrag über "Rolands-Statuen in Deutschland - Symbolkraft und Vielfalt", den Dr. Karl Feldkirch aus Ottersberg hielt.

Die Jahreshauptversammlung wählte am 7. Februar 2006 Karlheinz Gerhold zum 1. Vorsitzenden, Elke Gerbers zur 2. Vorsitzenden (als Nachfolgerin der langjährigen Amtsinhaberin Sabine Osmers), Edith Bielefeld zur Schriftführerin, Reiner Aucamp zum Schatzmeister und Karl Heinz Hildebrandt zum Redaktionssprecher. Beisitzer wurden Gisela Galle, Helmut Cyriacks und Heinz Kuhlmann, Kassenprüfer Werner Esdohr und Hartmut Nill.

Am 8. Februar 2006 präsentierte Dominik Lerdon, Lehrer an der Achimer Hauptschule, den Fernseh- und Hörfunkbeitrag seines Schülerprojektes "Achimer Schüler befragen Zeitzeugen zum III. Reich", an dem sich auch Bundesbauminister a.D. Karl Ravens beteiligte.

Eine Führung durch die Ausstellung "Die letzten Tage von Herculaneum" im Bremer Focke-Museum stand am 12. März auf dem Programm. Dem folgte am 28. März ein weiterer Vortrag des Baden-Forschers Heinz Kuhlmann über die "Siedlungsgeschichte des Dorfes Baden 1918 bis 1945".

Am 14. Mai 2006 stand eine Führung durch die neue "Dauerausstellung "Asia" im Bremer Überseemuseum" auf dem Programm.

In der Reihe der Ausstellungen im Haus Clüver präsentierte die Geschichtswerkstatt am 28. Mai 2006 "Historische Liederbücher des 19. und 20. Jahrhunderts" aus dem Vereinsarchiv sowie aus der Privatsammlung von Dr. Stephan Leenen. Während der traditionellen Badener Pfingstwiese zeigte der Verein "Baden in alten Ansichten". Am 12. Juni 2006 führte Karl Heinz Hildebrandt durch die historische Ringwallanlage in Baden, die "Hünenburg", die er während des folgenden Vortrags als eisenzeitlichen Stapelplatz klassifizierte. Letzte Gewissheit über die immer noch fehlende Datierung der Anlage würde wahrscheinlich eine archäologische Grabung bringen. Während des 3. Historischen Stammtisches am 13. Juni 2006 führte Jörg Karaschewski sein Buch über die Flaggen der deutschen Schutzgebiete des Kaiserreichs vor, während Reinhard Dietrich erste Ergebnisse seiner Erforschung der Bollener Geschichte präsentierte. Am 25. Juni 2006 führte die Kreisarchäologin Dr. Jutta Precht im Haus Clüver eine archäologische Fundberatung durch, bei der wieder einige bisher nicht verzeichnete Fundstücke aus dem Landkreis Verden erfasst werden konnten.


Veröffentlichungen

1. Aucamp, Reiner, 50 Jahre Kirchengemeinde Baden, Achim 2006

2. Gerhold, Karlheinz, "Für die Erhaltung der Republik…" - Schlaglichter aus der Geschichte
der Achimer Arbeiterbewegung - Teil 11: 1931"
In: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2006, Verden 2005,
S. 140 ff

3. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Eine Stadt erinnert sich - Leben in Achim vor
60 Jahren, Sonderheft der Achimer Geschichts-Hefte,
Achim 2005 (28 Seiten)

4. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Grußkarte zum Neujahr 2006,
Achim 2005

5. Gerhold, Karlheinz, Jahresbericht der Geschichtswerkstatt Achim: 2004/2005,
In: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2006, Verden 2005,
S. 300 ff

6. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.): Historisches Baden, Bildkalender 2006,
Verden, Haus der Werbung, 2005.

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