Jahresbericht der
Geschichtswerkstatt Achim
2007/2008

von Karlheinz Gerhold, Achim-Baden

Das Vereinsjahr 2007/2008 zeichnet sich im 22. Jahr des Vereinsbestehens der Geschichtswerkstatt Achim e.V. erneut durch eine Vielzahl von Veranstaltungen und Aktivitäten aus, die die Erforschung und Dokumentation der Regionalgeschichte, wie in der Vereinssatzung vorgesehen, zum Inhalt haben. Es begann am 19. August 2007:
Die traditionelle Ferienspaßexkursion der Geschichtswerkstatt Achim führte dieses Jahr unter Leitung des Vereinsvorsitzenden Karlheinz Gerhold in die Samtgemeinde Harpstedt. Und wie es sich für einen Geschichtsverein gehört, stand die lokale Geschichte im Mittelpunkt. Während die Schülergruppe sich über die Christuskirche informieren ließ, bekamen die erwachsenen Begleiter einen informativen Eindruck von dem restaurierten Scheunenviertel "Koems", das heute mehrere historische Werkstätten mit zum Teil nur schwer zu identifizierenden Werkzeugen beherbergt.
Die beiden Gästeführer Wilhelm Wöbse und Mareile Diekmann steuerten zahllose Details über Begebenheiten aus der Harpstedter Geschichte bei: 1242 wird die Kirche in Harpstedt zum ersten Mal erwähnt. Nach dem Chronisten Redeker (1682-1764) hieß die erste Kirche von Harpstedt Martinskirche. Im Jahre 1547 wurde die Reformation eingeführt. Da Harpstedt zum Fürstbistum Münster gehörte, zwanzig Jahre später als in den umliegenden Grafschaften Oldenburg, Hoya und Diepholz - nach der Eroberung Harpstedts durch den Grafen Anton von Oldenburg. Der Beauftragte des Grafen teilte dem damaligen Geistlichen nur kurz und bündig mit: "Ab sofort wird der Gottesdienst nur noch in lutherischer Weise gehalten. Im übrigen, wenn ihr wollt, könnt ihr heiraten." Der erste lutherische Geistliche hieß Gerhard Lohne.
Im Jahre 1626 brannte die Martinskirche mit dem größten Teil des Fleckens ab. Ein Jahr später wurde sie wieder aufgebaut. Sie erhielt schon 1629 eine Orgel, die 1679 und 1709 durch eine größere ersetzt wurde. Gottesdienst wurde damals häufiger als heute abgehalten: Zweimal sonntags, einmal mittwochs und freitags.
Natürlich konnten die Achimer von der 750 Jahr-Feier der Achimer St. Laurentius-Kirche berichten, die also um etliches älter als die Harpstedter Kirche ist.

Höhepunkt des Ausflugs war aber zweifellos die Fahrt mit der Historischen Museumseisenbahn, der Kleinbahn "Jan Harpstedt", die mit der aus dem Jahre 1955 stammenden Dampflokomotive, der Lok II, betrieben wird. Die 3. Klasse, die so genannte Holzklasse, war für die Achimer Gruppe reserviert und es gab auch "richtige Fahrkarten", die vom Schaffner in historischer Uniform - ganz so wie es sich gehört - entwertet wurden. Manchem der älteren Mitfahrer kamen dabei Erinnerungen an die alte Dampflokzeit, für die Schülerinnen und Schüler stand dagegen der Spaß im Vordergrund. Die Fahrt endete in Delmenhorst, von wo es per Bus zurück nach Achim ging.
Am 23. September 2007 führte die nächste Exkursion die interessierten Mitglieder der Geschichtswerkstatt Achim unter Leitung von Reiner Aucamp nach Dörverden, wo der Verdener Pädagoge und Historiker Dr. Joachim Woock über das Gelände der ehemaligen Schießpulver- und Kampfstoff-Fabrik Eibia führte. Dem folgte am 2. Oktober 2007 ein Vortrag von Dr. Woock zum Thema "Überleben Glückssache - Explosionen und Würmer im Essen - Ausbeutung in der Schießpulver-Fabrik Eibia in Dörverden". Am 4. Dezember 2007 beging der Verein im festlich geschmückten Saal des Clüverhauses die traditionelle Jahresabschlussfeier in der Adventszeit bei heißem Punsch. Die Jahreshauptversammlung bestätigte am 12. Februar 2008 folgenden Vereinsvorstand: Karlheinz Gerhold (1. Vorsitzender), Elke Gerbers (2. Vorsitzende), Reiner Aucamp (Kassenverwalter), Edith Bielefeld (Schriftführerin), Karl Heinz Hildebrandt (Redaktionssprecher) sowie Gisela Galle, Hartmut Nill und Heinz Kuhlmann als Beisitzer. Kassenprüfer wurden Manfred Drees und Werner Esdohr.
Am 18. März 2008 referierte Heinz Kuhlmann über die Verkoppelung der Badener Geest im 19. Jahrhundert. Im März und April 2008 zeigte die Geschichtswerkstatt in der Sparkasse Baden unter dem Motto "Leben an der Weser" Fotos von und aus dem Fundus von Dora Meyer aus Baden.

Am 1. April 2008 referierte der Verdener Historiker Dr. Joachim Woock über die Entnazifizierung der Täter im Nordkreis. Das Achimer Kreisblatt berichtete am 3. April 2008 über die gut besuchte Veranstaltung:

"Der Krieg war für Nazi-Deutschland verloren, die Alliierten wollten nach 1945 eine Demokratie aufbauen und brauchten neben Rohstoffen und Infrastruktur auch Personal. Die US- und die Royal Army begannen zur Rekrutierung dieses Personals für eine demokratische Grundstruktur des "neuen Deutschland" mit der so genannten Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft. Zur Entnazifizierung im Nordkreis hielt am Dienstagabend der Pädagoge Dr. Joachim Woock einen Vortrag im Hotel Gieschen. Die Geschichtswerkstatt Achim hatte die Öffentlichkeit zu diesem Themenabend samt Vortrag, Ausstellung und Diskussion eingeladen, rund 30 Besucher nahmen teil.
Nach der Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945, so Woock in seinem Überblick, und dem Verbot der NSDAP im Oktober, mussten Nazis aus Schlüsselpositionen entfernt werden. Danach legten die Briten den Schwerpunkt der Maßnahmen auf die Umerziehung von Nazis in Internierungslagern. Davon existierten in der britischen Zone neun, das für unsere Region bedeutendste war Sandbostel bei Bremervörde. Das Lagerleben an sich war anfangs sehr unmenschlich, allein 1946 verhungerten in der britischen Zone neun Menschen in Internierungslagern, später reagierte man und die Zustände besserten sich. Bei trotzdem stattfindenden zahlreichen Fluchten der Inhaftierten, zum Beispiel nach Italien, war im Übrigen auch die katholische Kirche maßgeblich beteiligt.
Die beschuldigten Funktionäre aus SS, SD, Gestapo und politischem Führerkorps wurden je nach Position in den Nazi-Strukturen und Schwere der Schuld in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt, von I für Hauptschuldige bis V für Entlastete. Bemerkenswert ist, dass schon wenige Jahre später dieselben Beschuldigten in weit weniger brisante Kategorien eingeteilt wurden, einerseits durch die Umerziehung durch die Besatzer, andererseits schlicht aus Personalmangel in öffentlichen Institutionen. Auch deshalb griff man schon bald wieder auf ehemalige Nazis als Funktionäre der "neuen Demokratie" zurück.
Joachim Woock ging anschließend auf einige Persönlichkeiten ein, die für die Region Achim von besonderer Bedeutung waren. So stellte er die Lebens- und Karriereverläufe eines Fischerhuder Telegrafenmasten-Spezialisten, eines bekannten und traditionsreichen Achimer Geschäftsmannes sowie eines Achimer Landwirtes dar. Diese wiesen allesamt steile Karrieren in den Reichsstrukturen auf, als Funktionäre in der NSDAP, der SS oder anderen Organisationen. Später, nach Kriegsende, wurden jedoch auch sie sehr schnell entlastet und übten ihre Berufe weiter aus. Der Wiederaufbau der Infrastruktur und die Versorgung mit Lebensmitteln war für die Alliierten offenbar von höherer Priorität als die Bestrafung der Nazi-Funktionäre.
Abschließend diskutierte man mit den Besuchern auch über Zivilcourage in der heutigen Zeit und über die unterschiedlichen Sichtweisen über den damaligen Alltag von Zeitzeugen und heute jungen Menschen."

Am 27. April 2008 zeigte die Geschichtswerkstatt Achim im Haus Clüver eine Ausstellung über die Grabinschriften auf dem jüdischen Friedhof in Achim mit Erläuterungen durch Wolf Wendel aus Achim-Baden und Günter Schmidt-Bollmann aus Bremen. Dem folgte am 3. Juni der 5. Historische Stammtisch, den Werner Esdohr mit Dokumenten und Fotos aus seiner Familiengeschichte gestaltete: Erbhöfe im Wandel der Zeit - am Beispiel des Hofes Esdohr - Lütjen in Sudweyhe.

Regelmäßige regionalhistorische Sprechstunden im Haus Clüver und das traditionelle Spargelessen im Juni 2008 rundeten das vielseitige Veranstaltungsprogramm ab, von dem vieles auch auf der Interpräsenz der Geschichtswerkstatt Achim unter www.geschichtswerkstatt-achim.de nachgelesen werden kann.

Publikationen
1. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Achimer Geschichts-Hefte, Heft XIII, Achim 2008, 60 Seiten
2. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Historisches Achim, Bildkalender 2008. Verden, Haus der Werbung 2007
3. Geschichtswerkstatt Achim e.V. (Hrsg.), Grußkarte zum Neujahr 2008, Achim 2007
4. Gerhold, Karlheinz, Jahresbericht der Geschichtswerkstatt Achim 2006/2007, In: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2008, Verden 2007, S. 91 ff.

nach oben

zurück