Aus dem Achimer Kreisblatt vom 07. Oktober 2002:

Kurz vor Ankunft der Engländer verscharrt
Geschichtswerkstatt präsentiert Artefakt aus der NS-Zeit / "Vergangenheit nicht vergraben"

ACHIM (fk) . Das Dritte Reich ist sicher der unrühmlichste Abschnitt der deutschen Geschichte. Da vor der Niederlage Nazideutschlands Unmengen von Akten, Dokumenten und Gegenständen vernichtet wurden, sind Artefakte aus dieser Zeit eher selten. Die Achimer Geschichtswerkstatt erhielt jedoch unlängst ein solches Stück, welches sie gestern im Haus Clüver der Presse
präsentierte.
Es handelt sich dabei um einen stark verrosteten und beschädigten Reichsadler über einem Hakenkreuz-Emblem. Die Geschichtswerkstatt geht davon aus, dass das Teil als Standartenspitze, also der oberste Teil eines Fahnenträgergestells, verwendet wurde.

Nicht nur wegen der Seltenheit von Artefakten aus der NS-Zeit ist der Fund für die Geschichtswerkstatt etwas Besonderes. "Trotz der regelrechten Emblem-Inflation der Nazis war eine Standarte etwas Einzigartiges", erklärt Jörg Karaschewski. "Sie war damals fast schon ein Heiligtum", fügt Karlheinz Gerhold, Vorsitzender der Werkstatt, hinzu, "manche Fahnen wurden sogar von Adolf Hitler ,geweiht'."
In den Besitz der Spitze kam die Geschichtswerkstatt bei einer Sprechstunde der
Kreisarchäologin Dr. Jutta Precht arn 3. September, zu der Bürger historische Fundstücke mitbringen konnten. Ein Achimer hatte das verrostete Stück Gusseisen bereits vor einiger Zeit beim Umgraben seines Gartens gefunden. Er sei zunächst unschlüssig gewesen, ob er es
wegschmeißen sollte - immerhin wird einem bei einem Hakenkreuz schon mulmig.
Gerhold glaubt nicht, dass der Finder oder dessen Vorfahren mit der Spitze in Verbindung stehen. "Sie wurde wahrscheinlich kurz vor dem Einmarsch der Briten am 22. April 1945 auf dem
erstbesten Grundstück ins erstbeste Erdloch geworfen und verscharrt."
An Stelle einer Restaurierung soll das Stück lediglich konserviert werden. Einerseits geschieht dieses aus finanziellen Gründen, andererseits ist es für Gerhold wichtig, dass man sehen kann, dass die Spitze vergraben war.
Viele Personen haben ihre Nazi-Embleme und -Symbole versteckt, um Probleme mit den Besatzungstruppen zu vermeiden. "Man darf die Vergangenheit aber nicht vergraben und vergessen", meint Gerhold.
Die Geschichtswerkstatt wird die Standartenspitze im nächsten Jahr im Rahmen der Ausstellung "Embleme und Anstecknadeln von Achimer Vereinen und Parteien in den 20er und 30er Jahren" ausstellen.

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