Aus dem Achimer Kreisblatt vom 19. November 2016:

Von nationaler Militäranlage zu neuem Stadtteil
Heute erscheint das Buch: "Das Öllager in Achim - 1916 bis 2016" / Zeitreise mit historischem Abriss und vielen Fotos

ACHIM. Nur wenig gereicht Achim zu nationaler Berühmtheit, das Öllager schon. 100 Jahre nach seiner Gründung in Baden und Uesen erscheint heute ein Buch unter dem Titel "Das Öllager in Achim - Wie aus dem Öllager ein Stadtteil wurde."
Gestaltet und verfasst haben die Publikation eine von Karlheinz Gerhold schon vor Jahren gebildete Arbeitsgruppe der Geschichtswerkstatt Achim und die Investoren Andreas und Mark Hundsdörfer sowie Manfred Huhs, die das Werk auch subventioniert haben. Auf 138 Seiten und mit 250 Fotos erlebt der Leser eine spannende Reise durch 100 Jahre.
Bereits 1911 war die Kaiserliche Marine auf der Suche nach geeigneten Vorratslagern für Treibstoff und Heizöle gewesen, um während eines möglichen und dann auch bald geführten Krieges auf Treibstoff zurückgreifen zu können. Das Lager sollte nicht an der Küste liegen, um vor feindlichem Beschuss sicherer zu sein, sondern an einem Strom im Landesinneren. Die Wahl fiel auf das hiesige Sanddünengelände in Wesernähe. Die Kaiserliche Marine hatte 1917 in einem Schreiben an die Königliche Regierung in Stade das Projekt wie folgt beschrieben: "Für die gedachte Lagerung sollen Betonbehälter von je 10 000 Kubikmeter Inhalt bei circa 2 000 Quadratmeter Grundfläche, ganz oder größtenteils versenkt, jedenfalls mit Erde überschüttet zur Ausführung kommen. Die Anlage an der Bahn Bremen-Langwedel soll in erster Linie dem Umschlag von den Behältern zur Bahn (Kesselwagen) und umgekehrt dienen; die Anlage im Dünengelände zwischen Bahn und Weser dagegen hauptsächlich dem Umschlag vom Lager zum Schiff und umgekehrt."
20 solch riesige Öltanks, alle miteinander verbunden, wurden in der Erde vergraben und waren mit einer Pipeline auch mit dem Ölhafen an der Weser in Baden verbunden, da Anlieferung und Belieferung mit Öl per Schiff und Bahn vollzogen wurden.
Nach dem Ersten Weltkrieg nutzten private Ölfirmen das riesige Öllager, das dann schon bald wieder das Interesse der Nazis für ihre Kriegspläne wecken sollte. Sie bauten das Öllager von 1937 bis 1940 aus mit Tanks von 340 000 Kubikmetern. Der Vorrat sollte der Marine für eine Kriegsführung für ein Jahr reichen, was ein zehnjähriges Ausbauprogramm auf zehn Millionen Kubikmetern bedeutet hätte. Tatsächlich erreichte man wohl 1,5 Millionen Kubikmeter Ölreserven. Auch Bauarbeiter aus Oberschlesien, untergebracht im Badener Heimstättenweg oder im Ueser Hufeisen, hatten die eingezäunte Anlage gebaut.
200 Mann verwalteten und bewachten das Öllager, darunter auch Landesschützen, ehemalige nicht mehr einsatztaugliche Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg.

Präsentation des neuen Buches

Präsentieren das neue Buch, von rechts: Manfred Huhs, Marlies Migowsky, Christoph Rippich, Uwe Kellner, Heinz Kuhlmann, Rainer Ditzfeld, Herbert Kempa, Karl-Heinz Hildebrandt, Hartmut Hagemann und Werner Esdohr. Es fehlen Andreas und Mark Hundsdörfer. Foto: Brodt

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde auch das Öllager Geschichte. Die Briten sprengten die Tanks 1948, pechschwarze Rauchwolken zogen über die Heimat, gewaltige Detonantionen erschreckten. Während Firmen Anlagenteile günstig erwarben, hatten Kinder und Jugendliche einen großen, nicht ungefährlichen Abenteuerspielplatz, bis dann die Bundeswehr nach Achim kam und eine Kaserne mit Übungsgelände aus dem Boden stampfte.
Von 1957 bis 2003 prägten die Soldaten Achim und machten das Weserstädtchen bis nach Nordrhein-Westfalen bekannt. Das Buch zeigt den Einzug der Soldaten, Panzerkolonnen und viel von der Steuben-Kaserne.
Fünf Plagejahre vergingen, in denen auf dem 100 Hektar großen ehemaligen Militärgelände buchstäblich nichts geschah. Das große Areal an Autobahn und Eisenbahnstrecke mitten in der Stadt drohte, zur Steppe zu werden. Der Bund wollte es versilbern und hatte Wohnungsbaupläne, die kaum noch Wald übrig gelassen hätten. Das wollte die Stadt genauso wenig wie anrüchige ausländische Investoren. Nicht ausgeschlossen war auch, dass Neonazis um den Anwalt Rieger hier ein ideales Trainingsgelände für ihre Kampfsportgruppen sehen könnten.
Da kamen dann quasi als Retter Manfred Huhs, Andreas Hundsdörfer und Sohn Mark, die im März 2009 die 100 Hektar große Fläche kauften, um sie in einem Konversionsprojekt gegen viele Widerstände zu entwickeln zu einem neuen Stadtteil mit schmuckem Wohngebiet, Firmen, Kindergärten, Altenheim, Discounter und mehr sowie einem Stadtwald von 65 Hektar, den sie der Stadt und der Allgemeinheit "schenkten". "Ein Glücksfall für Achim", wie jetzt bei der Buchvorstellung auch die Ex-Soldaten und Ex-Bürgermeister Christoph Rippich und Uwe Kellner sowie Bürgermeister Rainer Ditzfeld unisono unterstrichen.
Dem Aufbau ging erst einmal der Abriss voraus, auch vieler schöner Kasernengebäude, denen die verlorenen Jahre von 2004 bis 2009 zu sehr zugesetzt hatten. "Wir hätten gerne das zweite Achimer Gymnasium und das gesamte Amtsgericht hier untergebracht", trauert Manfred Huhs noch etwas nach.
Anhand der vielen Fotos kann der Leser nachvollziehen, welch gewaltige Arbeit geleistet worden ist bei dem Abbruch der militärischen Gebäude, dem Abtransport und Recycling der Trürnmerberge, der schweren und teuren Entsorgung der zehn runden und eckigen Öltanks mit 50 mal 50 Metern Grundfläche und auch Fällaktionen. Der Leser sieht die vielen Eigenheime, Straßen und Einrichtungen, die hier entstanden sind, den Wegfall einer Grenze zwischen Uesen und Baden wenigstens für den Bürgerbus und noch viel mehr. Geraffte 100 Jahre Lokalgeschichte, die ab heute für 19,80 Euro im Buchhandel zu haben sind. Der Erlös wird der Geschichtswerkstatt Achim und Kinderprojekten in Achim zugute kommen.

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