Aus dem Achimer Kreisblatt vom 24. April 2014:

Demokratisches Bollwerk gegen die Nazis
Ulrich Schröder referiert über das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold / Kämpfe mit dem Achimer Gemeindevorsteher

ACHIM. Auf Einladung der Geschichtswerkstatt Achim referierte Ulrich Schröder aus Ottersberg am Dienstagabend im Hotel Gieschen über den 1924 von Mitgliedern der SPD, der Deutschen Zentrumspartei, der Deutschen Demokratischen Partei sowie Gewerkschaftern gegründeten Verbund des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Es verstand sich als demokratisches Bollwerk insbesondere gegen die Faschisten.
Der größte Wehrverband der Weimarer Republik existierte seit fünf Jahren, als der führende Verdener Sozialdemokrat Georg Lieberknecht am 16. Juni 1929 zur Fahnenweihe des Ortsvereins Baden seine Festrede vor 1000 Mitgliedern und Gästen hielt. Karl Helfenberger, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Achim-Verden-Rotenburg-Zeven und zweiter Vorsitzender des Rb-Ortsvereins Hemelingen, hob am 8. Mai 1930 auf einem "Republikanischen Abend" des Achimer Reichsbanners hervor, weitere Aufgaben bestünden darin, "den Hinterbliebenen der Kriegsopfer zu helfen und zur Schulung des Arbeiters beizutragen." In Verden, Langwedel-Daverden, Baden und Thedinghausen war man vertreten.
Bereits am 16. März 1924 hatte sich in Achim ein Ortsverein des Stahlhelm gegründet. So war es kein Wunder, dass etliche Teilnehmer der Gründungsversammlung des Reichsbanners am 6. August auf die Machenschaften der "Hakenkreuzler" und Monarchisten vor Ort hinwiesen, denen man ein "bis hier und nicht weiter" entgegensetzen müsse. Zum provisorischen Vorsitzenden bestimmten sie den Lagerhalter Fritz Rübeck, der auch den SPD-Drtsverein leitete. Beim Rückmarsch von einer Kundgebung in Verden zum Bahnhof wurden die Achimer Teilnehmer von Reichswehrsoldaten angegriffen, weil die Farben Schwarz-Rot-Gold auf ihrer Fahne "keine Geltung" besäßen.
Um deren Geltung ging es auch in den folgenden Wochen: In der Gemeindeausschuss-Sitzung am 25. August beantragte der SPD-Abgeordnete Wilhelm Theiß, je eine schwarz-rot-goldene Fahne für das Gemeindeamt und die Volksschule anzuschaffen. Die bürgerliche Mehrheit lehnte den Antrag mit Unterstützung des kommunistischen Abgeordneten ab.
Da auch der Gemeindevorsteher Ludwig Pape mit "Nein" gestimmt hatte, legten die Vorstände der SPD, DDP und des Reichsbanners Beschwerde beim Oberpräsidenten in Hannover ein. In seiner Stellungnahme an den Landrat vom 8. Oktober rechtfertigte der Gemeindevorsteher sich damit, dass "der jetzige Zustand der Nichtbeflaggung im Interesse des öffentlichen Friedens in der Gemeinde" liege.

Ulrich Schröder

Ulrich Schröder breitete viele Details über den Kampf der Demokraten gegen die Feinde von Rechts aus. Foto: Hemmen

Am 16. September hatte der Reichsbanner-Vorstand zur Fahnenweihe alle Bürger, insbesondere aber die Geschäftsleute, im Achimer Kreisblatt dazu aufgerufen, "ihr bestes zu einem würdigen Straßenbild der Gemeinde beizutragen und der wahrhaft republikanischen Festteilnehmerschaft zu zeigen, dass sie nicht nur geschäftliche, sondern auch eine moralische Achtung uns entgegenbringen."
Die Ortsgruppe der "Nationalsozialistischen Freiheitspartei" reagierte darauf mit einem "Eingesandt": "Wir empfehlen den Bannerleuten, darüber nachzudenken, woher wohl die zu solchen Festen nötigen Gelder kommen könnten, da sich doch die Bannerleute jedenfalls in Achim in erster Linie aus Minderbemittelten zusammensetzen."
In einer späteren Beschwerde beklagten die demokratischen Parteien nicht nur die Schändung des Ehrengedenksteins für die vier gefallenen "Israeliten Achims" durch Hakenkreuzschmierereien, sondern warfen Pape auch vor, während des Reichstagswahlkampfs im Mai des Nachts herumgeschlichen zu sein und Plakate manipuliert zu haben. Der Schlachtermeister Albert Seligmann hatte ihn seinerzeit auf frischer Tat ertappt, als er die darauf angegebene Zahl von 12.000 jüdischen Kriegstoten durch Entfernen der Nullen auf 12 reduzierte.
Das Fest der Fahnenweihe fand wie angekündigt am 12. Oktober 1924 statt, am Aufmarsch nahmen ca. 600 Personen teil, darunter Abordnungen aus Bremen, Hastedt, Osterholz, Verden, Nienburg, Vegesack und Visselhövede. In den folgenden Jahren veranstaltete der Ortsverein Verfassungsfeiern, "republikanische Abende", zum Teil mit nachfolgendem Ball, und ein Kinderfest gemeinsam mit den Badener und Thedinghauser Kameraden. Einen Höhepunkt bildete der Besuch des Bundesführers Otto Hörsing, der am 24. Januar 1931 im überfüllten Schützensaal sprach.
Am 3. März 1929 gab es auf Anweisung des Bundesvorstandes einen Probealarm wegen Hochwassergefahr. Im Zeitraum von 9.00 bis 9.15 Uhr ging den Rb-Männern durch Boten Meldung zu, dass Gefahr im Verzuge sei. Binnen 25 Minuten waren 35 Kameraden an der von Hochwasser bedrohten Stelle am Bierdener Weg versammelt. Die Mitgliederversammlung am 11. Februar 1928 wählte einen Schießleiter, der die sonntäglichen Schießübungen mit neu angeschafften Luftbüchsen organisieren sollte.
Besonders umstritten war, die "Denkmalsfrage". An der Einweihung des Ehrenmals für die Kriegsgefallenen am 20. Juni 1931 beteiligte sich neben "vaterländischen" Organisationen wie Stahlhelm, Jungstahlhelm, Kriegerverein, Königin-Luise-Bund, Schützenverein auch das Reichsbanner. Auf der folgenden SPD-Mitgliederversammlung monierte Martin Brüns, "dass es unverständlich sei, wie unsere Parteigenossen sich so aktiv für die Herrichtung des Achimer Kriegerdenkmals eingesetzt haben. Die Arbeiterorganisationen hätten am Tage der Einweihung demonstrativ den Platz verlassen sollen, wenn es die Gemeindebehörde nicht für nötig hält, die Staatsflagge zu hissen." Darauf erwiderte Schriftsetzer Albert Theissen, man habe den Rechten nicht das Feld überlassen wollen.
Am 21. Januar 1932 gründeten die Arbeiterorganisationen den Ortsausschuss der Eisernen Front." Am 17. Juli organisierte die Eiserne Front einen großen Aufmarsch mit 600 Teilnehmern, der auch durch Bassen und Oyten führte.
Am 26. Februar - knapp vier Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler - demonstrierte die Eiserne Front ein letztes Mal in Baden, Uesen und Achim. Am 12. Mai führte die SA Hausdurchsuchungen durch und schaltete die Arbeiterorganisationen bald ganz aus.

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