Aus dem Achimer Kreisblatt vom 07. März 2013:

Blutrünstiger Berufsstand
Historiker Dr. Joachim Woock referiert in Achim über Scharfrichter

ACHIM/VERDEN . Ein ziemlich blutrünstiges Kapitel der Verdener und Achimer Geschichte war am Dienstagabend Gegenstand eines Vortrags, zu dem die Geschichtswerkstatt Achim ins Achimer Hotel Gieschen eingeladen hatte. Unter dem Titel "Scharfrichter im Stift Verden" referierte der Verdener Historiker Dr. Joachim Woock unter anderem über Folterinstrumente und Hinrichtungsmethoden vom 13. Jahrhundert bis zum Dritten Reich.
Zunächst prüfte er das Fachwissen der etwa 40 Zuhörer anhand eines Fragebogens. Dabei kam heraus: Den Beruf des Scharfrichters gibt es in Deutschland seit dem 13. Jahrhundert. Scharfrichter, die auch Carnifex, Schinder und sogar Racker genannt wurden, waren nicht hauptberuflich Henker, sondern bezogen zwei Drittel ihrer Einnahmen aus der Abdeckerei. Ein Fakt, der zunächst einige Zuhörer witzeln ließ, angesichts der aktuellen Skandale um falsch etikettiertes Pferdefleisch.

Dr. Joachim Woock

Mit an die Wand projezierten historischen Illustrationen gestaltete Dr. Joachim Woock seinen Vortrag anschaulich. Foto:ldu

Doch das Lachen blieb vielen schon bald im Halse stecken, als Joachim Woock zu den unterschiedlichen "Dienstleistungen" gelangte, die auch im Leistungskatalog des im 17. Jahrhundert in Verden tätigen Henkers Meister Wilhelm Crusen zu finden waren. Für das Verbrennen erhielt der Schinder fünf Reichstaler, was ungefähr 400 DM (in Preisen von 1975) entsprach. Noch besser entlohnt wurde das Knochenbrechen mit anschließendem "Rädern". Dabei wurde der geschundene Körper nach der Misshandlung auf ein Rad gebunden und zur Mahnung mit einem Pfahl sichtbar aufgerichtet. Je nach Vergehen geschah das tot oder lebendig.
Oft lebte der Henker vor den Toren der Stadt - so auch in Verden. Das wies auf seinen Status innerhalb der Gesellschaft: Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es verpönt, mit Scharfrichtern Kontakt zu haben, geschweige denn einen Vertreter dieses Berufsstandes zu heiraten.
Aus dem Jahr 1457 ist in Verden die erste Hinrichtung überliefert. Zunächst kamen die Henker allerdings aus Stade, Bremen oder Nienburg. 1470 bekam die Allerstadt ihren ersten städtischen Scharfrichter. Hinrichtungen wurden entweder durch den Magistrat oder die Kirche angeordnet. Grund für den "kurzen Prozess" war oft der Vorwurf der Hexerei. Erst später wurden auch Mörder oder Brandstifter getötet. Die Geschichte der Hinrichtungen im Landkreis Verden fand ihr Ende in den Jahren 1944/45: In der Nazizeit, noch kurz vor Kriegsende, wurden vier Zwangsarbeiter in Daverden erhängt, ebenfalls durch den Galgen ließ das britische Militärgericht einen Mörder sterben.
Wer mehr über Scharfrichter im Stift Verden wissen möchte, kann sich am Sonntag, 10. März, mit Dr. Joachim Woock auf einen Rundgang durch das Verlies im Verdener Wehrturm begeben. Treffen ist um 11 Uhr am "Piepenbrink" in Verden.

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