Aus dem Achimer Kreisblatt vom 15. September 2004:
Froh, nicht mehr als Tier zu gelten
Jüdische Zwangsarbeiterin berichtete aus Uphusen / Für Mutter und Schwester "blieb nur das Feuer"
von Manfred Brodt

ACHIM. Eva Spielberger bezeichnet sich selbst als "lebende Geschichte". Ohne Hass kam die 79-jährige, in Ungarn geborene und in Schweden lebende Jüdin jetzt nach Deutschland, um über ihre Erlebnisse im KZ Auschwitz und im Außenlager Obernheide/Uphusen des KZ Neuengamme zu berichten.
Als die frühere Zwangsarbeiterin am Montag auf der Veranstaltung der Geschichtswerkstatt im Hotel Gieschen nach Jahrzehnten wieder über die Schrecken gesprochen hatte, fühlte sie sich erleichtert.
Eva Spielberger und ihre Familie waren 1944 wie alle Juden Ungarns in Ghettos und am 12. Juni 1944 nach Auschwitz deportiert worden. Sie gehörte zu denen, die im Vernichtungslager als Arbeitsfähige rechts der Rampe aussortiert wurden. Ihre Mutter und elfjährige Schwester wurden links der Rampe aufgestellt. "Deren Schicksal blieb das Feuer."
Als ungarische Sklavenarbeiterin wurde sie mit 500 Leidensgenossinnen wie Vieh per Bahn nach Bremen in die Hindenburg-Kaserne gebracht, musste Tote wegtragen, verbrannte Körper aufladen und Ziegelsteine für neue Gebäude reinigen. Anfang September folgten 300 Polinnen als Verstärkung für die Bauindustrie. Als die Kaserne nach einem Bombenangriff abbrannte, trieb die SS die Arbeitssklaven ins neue Lager Obernheide bei Stuhr und bildete 29 km von Obernheide entfernt in Uphusen ein Arbeitskommando. 100 Frauen schufteten hier täglich für heimische Bauunternehmen, stellten aus gereinigten Trümmern Steine und Betonplatten für Neubauten her. Ein Teil der Frauen mit dem gelben Kreuz auf der Kleidung musste täglich fünf Kilometer nach Uesen gehen, um dort für eine Baufirma Steine zu klopfen. Als die Laster für die Strecke Obernheide-Uphusen ausfielen, mussten die Frauen die zweimal 29 km marschieren. Doch das überstieg ihre Kräfte und so wurden im Februar 1945 für 100 Frauen aus dem Lager Obemheide Baracken in Uphusen eingerichtet.

Eva Spielberger während ihres Vortrages
Eva Spielberger berichtete von der Hölle auf Erden, rechts Dr. Joachim Woock, Vorsitzender des Fördervereins Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 bis 1945. Foto: Brodt

Eva Spielberger: "Wir, die in Uphusen arbeiteten, waren vom Glück begünstigt. Das Essen (Brot, Kaffee, Margarine, Marmelade und gute Eintopfgerichte) bekamen wir von der Deutschen Arbeitsfront und auch die deutschen Arbeiter erhielten die gleiche Zuteilung. Die Gruppe in Uesen arbeitete in Sandgruben. Sie wurden von der deutschen Bevölkerung beschimpft und man bewarf sie mit Steinen."
Auf der Flucht Anfang April 1945 vor den nahenden britischen Truppen trieben die Nazis die Zwangsarbeiterinnen in Fußmärschen und mit Transporten auf offenen Eisenbahnwaggons zum KZ Bergen-Belsen. Wenige Tage später dann hier über Megaphon eines englischen Soldaten die erlösende Nachricht: "Achtung, Achtung, ihr seid befreit."
Für 30.000 kam die Befreiung zu spät. Sie starben an Typhus. Sechs Wochen dauerte es, bis Eva Spielberger frei war von Typhus, Läusen und Krätze. Sie war "glücklich und dankbar, unser Leben wieder in Freiheit beginnen zu können, als Menschen und nicht als Tiere betrachtet zu werden. "Im Juli 1945 erreichte sie mit dem Lazarettschiff Malmö, wo sie später über den Suchdienst des Roten Kreuzes auch ihren in Auschwitz befreiten Mann fand. Eva Spielberger ist Schwedin geblieben.
In ihrer ungarischen Heimat war sie nur einmal kurz, ihrer Tochter und Enkelin zuliebe. Ansonsten will sie in das Land, in dem sie ihre ersten 20 Jahre erlebte, nicht zurück, da es anders als Bulgarien, Rumänien und selbst Francos Spanien noch nach der sich abzeichnenden Niederlage der Deutschen an der Ostfront alle Juden des Landes den NS-Massenmördern ausgeliefert hatte.

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