Aus dem Achimer Kreisblatt vom 16. Juni 2007:

100 Milliarden Mark für Briefmarke
75. Geburtstag in schwerer Zeit / In der Inflationszeit kaufte Schützenverein Zentner Roggen für 950 000 Reichsmark

ACHIM. Nach dem glanzvollen Jubiläumsfest 1907 gingen ein paar friedliche Jahre ins Land, in denen im Schützenverein Achim nichts Aufregendes geschah. Bis, ja bis 1914 der Mord von Sarajewo Europa in einen unsäglichen Krieg stürzen sollte. Mit einiger Euphorie und Begeisterung zogen die jungen Männer in diesen Krieg und meinten: "Zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause!" Heute wissen wir, dass es ganz anders kam.
So schrieb am 24. April 1917 das Schützenmitglied, der Unteroffizier in der Eisenbahn-Baukompanie 32, Johann Bergmann an seine Familie: "...und wir sind immer noch in diesem Rußland!" Bergmann sollte der letzte in der Reihe der fünf Schützenmitglieder sein, die ihr Leben "für Kaiser und Reich" gaben. Der Krieg ging verloren, das Kaiserreich brach zusammen und die nachfolgende junge Demokratie hatte einen schweren Stand.
Die Währung ging sozusagen "den Bach runter" und die Preise stiegen ins Unermeßliche. Inflation war das Wort der Stunde. Auf dem Höhepunkt dieser Inflation kostete am 1.12.1923 die Beförderung eines Briefes die stolze Summe von 100 Milliarden Mark. Eine Postkarte kostete "nur die Hälfte": 50 Milliarden Mark.
1923 gab Hinrich Meislahn sein Amt als Vorsitzender ab und wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Neuer Vorsitzender wurde Hinrich Brüns. Das Schützenfest 1923 erbrachte einen Überschuß von 977.840 Mark. Der Verein beschloß, für diesen Betrag als Wertanlage einen Zentner Roggen zu kaufen. Dieser Zentner Roggen wurde am folgenden Tag bei dem Vereinsmitglied Mühlenbesitzer Johann Knief an der Brückenstraße für 950.000 Mark gekauft.
1930 verstirbt 90-jährig der Ehrenvorsitzende Hinrich Meislahn. Meislahn stand dem Verein seit 1875 48 Jahre als Vorsitzender vor. Ihm verdankt der Verein den größten Schatz: die Vereinschronik.

Die Schützenkompanie  vor dem Frankeschen Hotel

Die Schützenkompanie im Festzug Obernstraße / Ecke Feldstraße vor dem Frankeschen Hotel.

Der Schützenverein Achim steuerte so langsam auf das 75-jährige Bestehen zu. Und es wurden Überlegungen angestellt, ob wegen der wirtschaftlich schlechten Lage überhaupt eine Jubelfeier abgehalten werden sollte. Man entschloss sich aber doch zu einer Feier.
Ein Ehrenausschuss mit nicht weniger als 14 namhaften Personen wurde gebildet. Ihm gehörten neben anderen der Regierungspräsident Dr. Roose aus Stade, Gutsbesitzer Dietrich von der Decken aus Borstel sowie Landrat Wiedenfeld und Sanitätsrat Dr. Rieckenberg aus Achim an.
Das Fest wurde eingeleitet mit einem Kommers im Schützenhofsaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Vorträge der Achimer Gesangvereine "Thalia" und "Teutonia" sowie Darbietungen des Turnvereins Achim unterhielten die Besucher aufs beste.
Am Festzug am Sonntag nahmen allein 13 Schützenvereine und neun örtliche Vereine teil.
In der Chronik heißt es: "Reicher Flaggen- und Guirlandenschmuck gibt dem Ort ein buntes Festgepräge. Besonders die Obernstraße, wo an fast jedem Hause eine Fahne oder Guirlande hängt, macht einen festlichen Eindruck.
Die in schneller Folge eintreffenden Vereine aus Nah und Fern füllten die Bahnhofstraße in voller Länge und das festfreudige Publikum hatte sich in großer Menge eingefunden. Unter der Führung von drei berittenen Schützen setzte sich der Festzug dann in Bewegung."
Jubiläums-Schützenkönig wurde der Kaufmann Hermann EIImers, dem als Vizekönig der Kaufmann Otto Stolte zur Seite stand.
In den vielen Ansprachen beim Königsessen erinnerte Regierungspräsident Dr. Roose aus Stade, selbst begeisterter Schütze, an den Hauptmann Böse, Führer der bremischen Legion in den Freiheitskriegen, und die Böseschen Jäger. Böse gründete später den ersten Schützenverein im Regierungsbezirk Stade, den Schützenverein in Bederkesa. Mit den Worten "Ich habe den dringenden Wunsch, daß die Schützenvereine den Schießsport als ihre Hauptsache betrachten mögen. Ganz besonders gilt dies für die Pflege des Jugendschießsportes" und einem "Hoch" auf den Schützenverein Achim schloss der Regierungspräsident seine Ausführungen.
Für ein Fest, welches man anfänglich gar nicht in größerem Rahmen feiern wollte, hatte es doch einen erfolgreichen Verlauf genommen.

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