Aus dem Achimer Kreisblatt vom 23. Juni 2007:
Aus Vorsitzendem wurde Vereinsführer
Und aus Kleinkaliber- das Wehrsportgewehr / Achimer Schützenwesen im "1000-jährigen Reich" und in der Nachkriegszeit

ACHIM. Die Machtübernahme 1933 ging auch an den Schützen nicht unbemerkt vorüber. Aus einem Vorsitzenden Hinrich Brüns wurde der Vereinsführer Brüns. Wehrsportverbände der SA, der NSDAP, des Turnvereins und des Stahlhelms beanspruchten die Vereinsanlagen.
Im Juli 1934 wurde der Gedenkstein für die gefallenen Kriegsteilnehmer des 1. Weltkrieges eingeweiht. Dieser Gedenkstein ziert seit dem Neubau des Schützenhauses die Eingangshalle.
Das von "oben" geforderte Schießprogramm bekam Priorität. Man wollte damals kein Schützenfestverein sein. Der heutige Schlachtruf "Gut Schuss" hieß damals "Achtung Feuer". Die Bezeichnung "Schützen" wurde per Erlass in "Schützen-Kameraden" geändert. Das gute alte Scheibengewehr, Kaliber 8,15 x 46, wurde zum "Wehrmann-Gewehr" und das KK-Gewehr zum "Wehrsport-Gewehr" - in anderer Ausführung gar zum Wehrsport-Karabiner".
1937 wurden auf dem Gelände des Schießstandes 150 Birken, 100 amerikanische Eichen, 7 Linden, 15 Eschen, 2 Walnussbäume und diverse Kastanien gepflanzt.
1938 wurde der spätere Vorsitzende Hermann Mindermann (1952-67) Schützenkönig. Er war der einzige König, der seine Schüsse auf die Scheibe freihändig abgab. Sportgerät war das erwähnte Scheibengewehr, die Distanz: 175 Meter.
Aufregendes Ereignis damals: Als die Schützenkompanie Aufstellung genommen hatte und König nebst Begleitung den von Pferden gezogenen Wagen verlassen wollten, scheuten die Pferde wegen eines furchtbaren Böllerschusses und drohten durchzugehen. Die Gefahr erkennend, griff Oberschütze Heinrich Evers, Großvater des heutigen Ehrenvorsitzenden Heiner Evers, mit seinen 72 Jahren in die schon zerrissenen Zugstränge und bändigte die Gäule. Er kam dabei zu Fall und unter den Tieren. zu liegen. Glücklicherweise verletzte sich der alte Herr nur wenig.
1939 übernahm Fritz Pröttel von seinem Vorgänger Georg Töpfer den Schützenhof. Besitzer war damals noch Heinrich Wahl. Durch Verträge wurde nun der Verein Herr auf eigenem Gelände, denn ein eingetragener Passus zum Vorverkaufsrecht auf denSchützenplatz aus dem Jahr 1878 konnte entsprechend durchgesetzt werden. Der über 18 000 Quadratmeter große Platz kostete 8300 Reichsmark.
Durch weitere Umbauten der Schießhalle und die Kaufkosten geriet der Verein mächtig in die roten Zahlen. In den Jahren 1939/1940 wurden die zehn KK-Stände fertiggestellt.

Fertigstellung der KK-Stände 1940

Fertigstellung der KK-Stände 1940. Ganz links: Walter Koch (Kommandeur von 1954 - 1969), vierter von links: Hermann Mindermann (Vorsitzender von 1952 - 1968).

Und wieder unterbrach ein Weltkrieg das fröhliche Schützenleben. Die Festveranstaltungen wurden weniger und weniger. Die letzte Jahresversammlung fand am 10. Januar 1945 statt. Es nahmen daran 17 Vereinsmitglieder teil.
Am 22. April 1945 wurde Achim von den Engländern besetzt. Der Krieg hatte sein Ende gefunden. Es klingt unfassbar, dass von den Achimer Schützen niemand gefallen war.
Die erste Nachkriegsversammlung fand am 22. April 1948 bei 22 anwesenden Mitgliedern statt. Schützenbruder F. W. Gercke, der das Treffen einberufen hatte, erstattete Bericht über die Lage des Schützenwesens. Die Vereine waren angeblich nicht aufgelöst, lediglich der übergeordnete Reichsbund für Leibesübungen.
Trotzdem waren sie in den Jahren 1945 bis '48 zur Untätigkeit verurteilt, denn Schießen war verboten und auf Waffenbesitz stand die Todesstrafe. Das Vereinskonto war gesperrt, der Schützenplatz für die örtliche Besatzungstruppe beschlagnahmt.
Im vollständig abgeholzten Park wurden zunächst 500 Bäumchen gepflanzt, danach 5 000 Kiefer-Pflanzen bestellt. In der Schießhalle gab es inzwischen neue Bewohner. Es gelang erst 1955, die letzten dort herauszuklagen.
Langsam formierte sich der Schützenverein wieder.
Wertvolle Pokale tauchten auf, die Königskette fand sich wieder, die neue Fahne von 1907, die Jugendfahne von 1875, Bilder der Schützenkönige und manch anderes unersetzliches Vereinsgut. Die ersten Neuaufnahmen zeigten, dass der Verein wieder zum Leben erwachte.
Nach langen Beratungen fand 1949 das erste Schützenfest statt. Es gab wohl Riesennachholbedarf, denn die Bevölkerung machte begeistert mit, vor allem die Kinder, die zehn Jahre kein Schützenfest erlebt hatten. Wegen Überfüllung des Karussells brach der Mastbaum. Es entstand jedoch kein weiterer Schaden.
Vorab hatte die Genehmigung der englischen Militärregierung eingeholt werden müssen, die einen Ummarsch erlaubte, militärische Kommandos jedoch verbot.
Es ging auch ohne. Der Hauptmann sagte: "Würden sie bitte eine Rechtswendung machen und Majestät anlächeln!"
Der erste Nachkriegskönig war Schuhmachermeister Hans Bode. Geschossen wurde mit Luftgewehr und Bolzen. Kommentar des unvergessenen Hinrich Badenhop: "Dor smiet ick doch lever mit de Mützen. Denn dreep ick genausoveel!"
Der Winterball am 21. Januar 1950 gehörte zu den schönsten seit 1872, schrieb das Achimer Kreisblatt. Modetanz war damals der Samba: "de Danz, wo jeder achtern utsleit".
1953 starb der Ehrenvorsitzende Hinrich Brüns. Zu seinem Begräbnis fanden sich höchste Mitglieder des Deutschen Schützensports ein, die die Einmaligkeit dieses Mannes hervorhoben.
Das 100-jährige Jubiläum warf seine Schatten voraus. Umfangreiche Erdarbeiten standen an und wurden der knappen Kasse wegen in Eigenarbeit erledigt. Jedes Mitglied wurde mit 15 DM belastet, die abgearbeitet werden konnten oder für zusätzliche Arbeitskräfte verwendet wurden.
Große Verdienste beim Bau der Schießanlagen erwarb sich Willi Claren, der spätere technische Offizier, der mit nervenzerfetzender Genauigkeit seine Mitarbeiter anspornte.

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