Die Nachkriegsjahre in Achim von 1945 - 1955
von
Miriam Lerbs und Bianca Bauersfeld
Am 21.04. 1945 entstanden durch ein konzentriertes Luftbombardement schwere Schäden. Betroffen waren das Rathaus, die Verdener Straße und die Meislahnstraße. Einen Tag danach, am 22.04.1945 gegen 5.00 Uhr morgens, wurde Achim von den Briten befreit. Am 08.05.1945 war der 2. Weltkrieg vorbei. Die Kampfhandlungen waren beendet und das Leben war wieder sicherer geworden. Die Menschen waren mit Aufräumarbeiten und Wiederaufbau beschäftigt. Damit genügend Bauarbeiter für den Wiederaufbau zur Verfügung standen, wurden sie in Bierden auf einer Lehrbaustelle ausgebildet.
Erlöst von der Parteidiktatur glaubten die Menschen, dass sie sich wieder an ein friedliches, menschenwürdiges Leben gewöhnen könnten. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass sie noch lange nicht ihr Leben nach eigenem Ermessen gestalten konnten. Der britische Kommandant hatte seit dem Einmarsch in Achim die Befehlsgewalt. Vorher bestimmten Ortsgruppen- und Kreisleiter der NSDAP über das Leben in Achim. Ehemalige Mitglieder der NSDAP bekamen eine "Entnazifizierungsurkunde", wenn sie nachweisen konnten, dass sie z.B. das Parteibuch geführt hatten und keine weiteren Verbrechen begangen hatten.
Es folgten die ersten trüben Nachkriegsjahre.
Ausgebombte aus den benachbarten Großstädten, Flüchtlinge aus den Ostgebieten und schließlich die Heimatvertriebenen, ließen die Einwohnerzahl in die Höhe schnellen. Im Achimer Bahnhof trafen gegen Ende des Krieges Hunderte von Flüchtlingen in Güterwaggons aus den Ostgebieten ein.
Der Achimer Bahnhof
Am 1. Dezember 1945 lebten in Achim 4430 Einheimische und 1661 Flüchtlinge, das waren 6091 Einwohner. 1946 gab es in Achim 6851 Einwohner. Die Zahl der Ausgebombten belief sich auf 1005. 1948 betrug die Einwohnerzahl schon 7397.
Wohnraum stand nur noch begrenzt zur Verfügung. Einige Flüchtlinge waren in Baracken in der Brauerstraße untergebracht. 1953 entstanden in Achim in der Mühlenstraße die ersten Reihenhäuser, um die Baracken abreißen zu können.
Nach der Währungsreform 1948 konnten einige Achimer die Kreditraten für ihre Häuser nicht mehr bezahlen. Die Bank, untergebracht in einem Anbau des Hotels "Stadt Bremen", kaufte die verschuldeten Häuser von einem Bauunternehmer, ließ die Bewohner als Mieter weiter wohnen und verkaufte sie ihnen in wirtschaftlich besseren Zeiten wieder.
Die Spar- und Leihkasse des Kreises Achim
Nahrung, Kleidung, Fensterglas, Heizung und Krankenhausbetten waren nach dem Krieg
kaum vorhanden. Das Krankenhaus wurde von dem DRK geführt und war während des
Krieges im heutigen Amtsgericht untergebracht. 1948 wurde ein neues Krankenhaus
eröffnet, dort befindet sich heute der Kindergarten der Lebenshilfe.
Im Juli 1945 gab es in der Energieversorgung Engpässe. Es trafen drei Ladungen Koks in
Achim ein, die aber überhaupt nicht ausreichten. Von den Eisenbahnwaggons wurde von
einigen Bürgern Koks gestohlen.
Aus Mangel an Feuerholz wurden im Winter 1945 der Achimer Bürgerpark und der
Kamerun von der Bevölkerung weitgehend abgeholzt. Das Holz wurde verheizt, um den
Winter überstehen zu können.
Der Achimer Bürgerpark
Im Jahre 1946 verschlechterte sich die Versorgungslage im Landkreis rapide. Besonderer
Mangel bestand an Fett, Fleisch und Mehlerzeugnissen. Es kam zu mehreren Diebstählen
und Einbrüchen. Viele Güter des alltäglichen Bedarfs mussten organisiert werden. Statt
Weizen wurde Mais verarbeitet. In der Achimer Simonsbrotfabrik ist Maisbrot hergestellt
worden.
Die Achimer Simonsbrotfabrik
Im Mai 1946 hat die Gemeinde Torfstecher zur Verbesserung der Versorgungslage eingestellt. Der Torf wurde als Brennmaterial benutzt.

Nach Kriegsende, im Dezember 1945, wurde Fritz Rübeck der 1. Bürgermeister von Achim. Durch den Beschluss des Gemeinderats und mit der Genehmigung durch die Militärregierung wurde das alte Wappen von Achim als Gemeindewappen und Amtssiegel eingeführt und am
31. März 1948 vom Regierungspräsidenten in Stade genehmigt. Der Schlüssel ist dem Wappen des Erzstiftes Bremen nachempfunden. Die Bärentatze geht auf das Adelsgeschlecht der Clüver und Stumpenhusen zurück.
Das Wappen von Achim
Pfingsten 1946 waren in Achim die ersten Kommunalwahlen nach dem Krieg: Bürgermeister wurde Friedrich Grothen.
Im Jahre 1948 gründete Karl Heinz Laue in der demokratischen Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit die Achimer Falken, die bis heute aktive Jugendarbeit in Achim organisieren und anbieten. In Achim hieß es bald: "Geh zu Falkens, da wird was geboten, da ist etwas los, da kannst du was erleben!" 1951 übernahm Karl Ravens, der später Bundesminister wurde, die Leitung der Achimer Falken (Jungsozialisten, SPD). Am Anfang trafen sich die "Falken" in einer Baracke auf dem Marktplatz. Dort steht heute das Rathaus.
Außerdem befand sich hier der 1. Kindergarten Achims, der von der Evangelischen Kirche 1945 gegründet wurde. 1952 wurde die Baracke abgerissen.
Der Ev. Kindergarten ist seit 1954 im ehemaligen Küsterhaus neben der St. Laurentius-Kirche untergebracht.

Das Küsterhaus
Seit 1954 steht den Achimer Falken das Falkenheim in der Breslauer Straße zur Verfügung.
Das Falkenheim
Am 8. April 1948 hat sich der Gemeinderat einstimmig für die Wiederherstellung der zerstörten Weserbrücke in Uesen entschieden. Die Brücke ist 1945 kurz vor dem Einmarsch der Briten in Achim gesprengt worden.
Die Weserbrücke in Uesen
Am 20. Juni 1948 gab es eine Währungsumstellung in den damaligen britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszonen. Die Steuern gingen bei der Gemeinde Achim nur schleppend ein. Das Geld war knapp geworden. Die öffentliche Fürsorge (AWO) musste für viele Eltern die Kosten für die Schulspeisungen übernehmen. In den Jahren 1946 - 1949 erhielten die Kinder in der Schule die sogenannte "Schulspeisung". Die Schulspeisung bestand aus verschiedenen Suppen: Es gab Schokoladensuppe aber auch Keks-, Brot- und Erbsensuppe. Diese Suppen wurden in ein Essgeschirr, dem "Henkelmann", eingefüllt. Wer keinen Henkelmann besaß, bekam seinen Schlag Suppe in ein anderes mitzubringendes Gefäß. Manche Schüler hatten als Essgeschirr nur eine Konservendose mit Drahtbügel. Einige besaßen Kochgeschirr und Löffel aus den Überbleibseln der ehemaligen Deutschen Wehrmacht.
Essgeschirr
Zum Frühstück gab es häufig frische Brötchen und dazu Kakao. Zur Verteilung waren die älteren Schüler und Schülerinnen eingeteilt. Die Lehrer mussten die Verteilung überwachen, denn viele Schüler versuchten oft die Schulspeisungen mehrfach zu ergattern. Manche Kinder nahmen einen Teil ihrer Zuteilung mit nach Hause, um die anderen Familienmitglieder mit zu versorgen. So half die Schulspeisung bei der Versorgung vieler Familien mit. Fast ein halbes Jahr lang, in den Frühjahrs- und Sommermonaten des Jahres 1945, fiel jeglicher Unterricht aus. Erst im September wurde wieder unterrichtet. Im Winter fiel der Schulunterricht manchmal wegen Kohlenmangels aus. Die Schulspeisung fand aber trotzdem statt und keiner schwänzte die Schule.
In der heutigen Orientierungsstufe am Markt gab es ab 1945 für einige Jahre wirtschaftliche Schwierigkeiten für den Unterricht der Nachkriegszeit. Durch Zuzug der Heimatvertriebenen erhöhten sich ständig die Schülerzahlen. So betrug die Schülerzahl in einer Klasse des 5. Schuljahres 52 Schüler. Auch die im Hause untergebrachte Mittelschule vergrößerte sich ständig. Es herrschte überall eine bedrohliche Enge. Das Fehlen von Heften, Büchern und Turnzeug, wirkte sich negativ auf die Unterrichtsarbeit aus.
Die Schule am Markt
1951 bezog die Mittelschule ein eigenes Schulgebäude am Paulsberg. Trotz Nutzung der freiwerdenden Räume im Dachgeschoss blieb das Raumproblem für die Volksschule auch weiterhin bestehen. Nur im Bereich des Sportunterrichtes erfolgte durch den Anbau einer Turnhalle 1954 eine Entlastung.

Am 1. Mai 1949 hat der "Niedersächsische Minister des Inneren" der Gemeinde Achim die Bezeichnung ,,Stadt" verliehen.
Die Stadturkunde
Trotz Hunger und großer Wohnungsnot bestand ein ungeheurer Nachholbedarf an Vergnügungen aller Art. Im Schützenhof fanden Weihnachtsball, Ernteball, Silvesterball, Feuerwehrball und Landjugendball statt. Der "Achimer Musikverein", eine 12-Mann-Kapelle, sorgte für die Musik.
Der Achimer Schützenhof
Die Obernstraße war die Geschäftsstraße Achims. Hier konnten die Achimer ihre Einkäufe tätigen.
Die Obernstraße
Eine weitere Attraktion war das Kino.
Waldemar Nachtigall und Paul Klappert konnten den Spielbetrieb im Odeon bereits Anfang 1946 wieder aufnehmen, viel früher, als dies Kinobesitzern in anderen Städten möglich war. Deutsche Filme waren noch nicht wieder zugänglich, so dass das Programm in erster Linie aus englischen Filmen bestand, die vor allem für die stationierten Truppen bestimmt waren. So wurden die Filme an getrennten Abenden den englischen Soldaten und den Einwohnern Achims gezeigt. Das Kino verfügte über 267 Sitzplätze.
Das Odeon-Kino
Dies sind nur einige der wichtigsten Begebenheiten der Nachkriegsjahre von 1945 - 1955. Bei der Bevölkerung in Achim wuchs der Wohlstand weiter an und das "Wirtschaftswunder" entwickelte sich auch in dieser Stadt. Die Arbeitslosen fanden Arbeit in größeren Firmen, wie z.B. bei DESMA oder bei der Bremer Textilfirma Runken.
Die Wohnungsnot wurde durch den Bau von Häusern verringert und die Lebensqualität verbesserte sich.
Quellen:
1. "Achim - Ein historischer Stadtspaziergang mit Karlheinz Gerhold und Günter Schnakenberg",
Herausgeber: Heimatverein Achim, 1999 Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude

2. Horst Korte: "Stadt Achim" - Geschichte und Gegenwart in Wort und Bild, Verlag H. Lüers Jever &
Thedinghausen, 1984

3. "Achimer Geschichtshefte" Nr. 8, Regionalhistorisches Magazin der Geschichtswerkstatt Achim, Dezember
1995

4. "900 Jahre Achim" - Geschichte/Gegenwart - 1091 - 1991, Herausgeber: Landkreis Verden

5. "Gruß aus Achim" - Achim und die Ortsteile in alten Ansichten, Edition Temmen, 1991

6. "Orientierungsstufe Am Markt Achim" - 1894 bis 1994, Festschrift 1994

7. Die Protokollbücher der Achimer SPD 1912 - 1954: "Gerüstet für die Kämpfe in kommender Zeit"; Ein
Beitrag zur 125jährigen Geschichte der Achimer Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie, herausgegeben im
Auftrag der Geschichtswerkstatt Achim, 1991

8. "100 Jahre Film- und Kinogeschichte in Achim" - Eine Dokumentation zur Ausstellung des Kommunalen Kinos
Achim, 1995
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