Und das sollten nicht die letzten Achimer Pestopfer sein.

Am 16. August 1712 war der Vorgang den Bremern bereits bekannt.

Bei Klaus Schwarz heißt es 8):
"Die überlebenden Bewohner des Hauses durften es nicht mehr verlassen und auch keine Besucher empfangen. Allerdings sollte man darüber Stillschweigen bewahren, denn wenn es laut würde, "so sind wir, wenn schon die Krankheit so böse nicht ist, übel dran". Man wagte nicht, die fälligen Kontributionszahlungen von den Achimer Bauern einzufordern. Auch hier stieß die Angst vor einer Ausbreitung der Epidemie mit fiskalischen Bedenken gegen Steuerausfälle und der Furcht vor den Folgen einer wahrheitsgemäßen Informierung der Öffentlichkeit zusammen.
An den bremischen Grenzpfählen mussten jetzt auf Weisung des Rats schwarze Schilder mit einer weißen Aufschrift angebracht werden, die vor allem die Achimer abschrecken sollten: "Stadt-Bremisch. Wer von einigen verdächtigen Orten sich einschleichet, soll am Leben gestraffet werden." Nur wer durch einen genauen Gesundheitspaß einen 40-tägigen Aufenthalt an einem unverdächtigen Ort nachweisen könne, werden noch eingelassen. Eine Ausnahme sei nur mit vornehmen Reisenden zu machen, die unbeschwert von lästigen Papieren durch einen Eid über ihren vorangegangenen Aufenthalt die Erlaubnis zum Zutritt erwirken könnten. Jeder Bremer, der die Stadt verlasse, erhalte ein mit dem bremischen Schlüssel gestempeltes Zeichen, das er bei seiner Wiederkehr vorzeigen müsse, wie das in Borgfeld schon üblich war. Bestimmte Waren wie Wolle, Betten, Haare, Flachs und Hanf blieben generell von der Einfuhr ausgeschlossen, die übrigen mussten von Zeugnissen ihrer Ungefährlichkeit begleitet werden."

Und die Pest rückt näher auf Bremen zu!

Im September 1712 sind etliche Gröpelinger befallen.

In Stade kapitulierten am 7. September 1712 die Schweden; die dänischen Sieger zogen nach einmonatiger Belagerung ein, obwohl sie wussten, dass dort die Pest grassierte. In Stade sollen 650 Personen an der Pest gestorben sein.

In Bremen haben alle Vorsichtsmaßnahmen nichts genutzt:

Im September 1712 brach die Pest im Hugenottenviertel in der Bremer Neustadt aus.

Klaus Schwarz berichtet von Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen wurden:
"Als erstes rieten die Ärzte zur Demut. "Nachdemmahl unstreitig bekannt, daß der langmühtige Gott aus gerechtem Zorn die Menschen umb der Sünde willen mit bösen ansteckenden Seuchen heimzusuchen pfleget, so ist in dergleichen Begebenheit für allen höchstnöhtig, zu demselben als einem barmhertzigen Vatter, welcher alle unsere Gebrechen heilet, sich zu wenden, umb Vergebung der Sünde und Abwendung der Straffe demühtigst Ihn zu bitten, insbesondere, daß Er seinen Segen zu denen Hülfsmitteln, welche Er uns umb eine solche Seuche abzukehren aus Gnaden bescheret hat, verleihen wolle."
Darauf folgten Ratschläge für das täglich dreimal vorzunehmende Ausräuchern der Zimmer, das die Reinhaltung der Luft verbürgen sollte. Allerlei Beeren, Laub und Holz sollten dazu dienlich sein, auch Schwefel, Salpeter, Tabak und selbst Schießpulver. Die Reinheit der Luft sollte begleitet sein von der Ausgeglichenheit der Seele. "Höchstnöhtig ist zu Vorbewahrung einer ansteckenden Seuche, daß man alle hefftige Gemühtsbewegungen, insonderheit Zorn, Angst, Schrecken, Traurigkeit und Bekümmerniß, so viel immer möglich, meide, auff dem höchsten Gott sein Vertrauen alleine setze, und die von Ihm aus Barmhertzigkeit uns verliehenen Hülffmittel mit geruhigem und unerschrockenem Gemüht gebrauche."
Der Körper dürfe nicht mit überflüssiger Speise und hitzigem Getränk belastet werden; besonders zu warnen sei vor "leicht faulenden Sachen als da sind todte See- und Rivierfische, alte faule Käse" und dergleichen, aber auch vor frischem Obst. Zur Entschlackung wurde der gelegentliche Verzehr von Brechwein und wenigstens einmal im Monat die Einnahme von Abführpillen angeraten. Auch ein gelegentlicher Aderlaß tue wohl. Menschen, die schon kleine Geschwüre hätten, würden kaum von der Pest befallen. Auch gelegentliches Schwitzen und ein wenig Knoblauch, Holunder- und Wacholdersaft diene der Vorbeugung.
Wenn die Seuche aber einmal ausgebrochen sei, müsse man in jedem Fall vor dem Verlassen des Hauses Schutzmittel zu sich nehmen. Geringen Leuten seien Wacholderbeeren oder Baldrianwurzeln zu empfehlen oder auch ein Butterbrot mit Knoblauch. Wer nicht aus Geldmangel den Gang zur Apotheke zu scheuen brauche, könne statt dessen Trochiscos theriacales nobiles, Kügelchen mit einem tierischen Gegengift, zerkauen oder ein Schlückchen Praeservier-Aquavit trinken. Bisweilen sei auch die Einnahme von Medikamenten empfehlenswert, die den Leib vor Fäulnis bewahrten und Namen wie Mixtura simplex oder Aqua prophylactica trugen.
Es könne aber eintreten, daß alle diese Mittel nichts nutzten und Anzeichen der Erkrankung zum Vorschein kämen. "So bald aber jemand, aller Praecaution ungeachtet, zu der Zeit, wann contagieuse Fieber grassiren, ein Schaudern und darauff folgende Hitze, Neigung zum Brechen oder würckliches Brechen, Haupt- und Rückenweh, Schwermühtigkeit, Hertzensangst, unruhe, sehr geschwinden oder matten Puls, das man ihn offt nicht fühlen kann, insonderheit schleunige und ungewöhnliche Mattigkeit, Ohnmachten und plötzliche Entgehung aller Leibeskräffte an sich verspüret, kan er leicht abnehmen, daß ihn Gott mit der grassierenden Seuche werde heimsuchen."
In diesem Fall sei der schnellste Gebrauch von giftaustreibenden Arzneien nötig, denn wenn das Gift nicht in den ersten fünf oder sechs Stunden vom Herzen weggeführt werde, sei die Hoffnung auf Genesung ungewiß. Der sorgfältige Hausvater müsse stets wenigstens ein Lot Theriaca oder Diascordium zur Hand haben, um keine Zeit auf dem Wege zur Apotheke zu verlieren. Schwitztinktur und -pulver seien ebenso brauchbar. Nachdem die Schwitzkur eingeleitet worden sei, die von der Einnahme von Brechwein begleitet werden könne, sei ein Arzt oder Chirurg heranzuziehen, der die weitere Behandlung übernehme. Über diese machten die Physici keine Angaben. Sie schlossen vielmehr mit dem frommen Wunsch: "Unterdessen wolle der grundgütige Gott nach seiner Barmhertzigkeit alles besorgliche Übel von uns und unseren Gräntzen in Gnaden abwenden." Hinzugefügt war eine Liste aller 24 erwähnten Räucher- und Arzneimittel, beginnend mit geringem Rauchpulver für 1 Groten je Lot und endend mit dem Schwitzpulver zu 4 Grote für ein Quent, wobei Hinweise auf die Zusammensetzung kaum vorkamen."

Als Bilanz des Pestjahres 1712 in Bremen ist festzuhalten:

  • der Handel in Richtung Osten war stark in Mitleidenschaft gezogen worden;
  • rund 1 Dutzend Pesttote in der Stadt selbst, vorwiegend Hugenotten;
  • aber in Gröpelingen: 56 Tote von 74 Erkrankten (1/6 der Bevölkerung).

Während in Achim 1713 keine Pestfälle mehr vorkamen, wütete die Seuche in Bremen erneut: 180 Pesttote sind verzeichnet.


Was wissen wir aber nun von den Auswirkungen der Seuche in Achim?
Klaus Schwarz berichtet: 9)

"Nur wenige Wegstunden von Bremen lag auf dem östlichen Weserufer das Dorf Achim, wo laut Meldung vom 16. August 1712 in kurzer Zeit fünf Personen in einem Haus verstorben waren. Als der Ratsherr Liborius von Line auf der Fahrt nach Hamburg am 24. Oktober in Langwedel einen Halt einlegte, wurde ihm eine Zahl von über 40 an der Pest Verstorbenen und weiteren mehr als 40 Erkrankten genannt. Auch hier fehlen zuverlässige abschließende Zahlen, aber an dem verheerenden Ausmaß der Seuche kann schon deswegen kein Zweifel bestehen, weil die monatelange Abschließung des Ortes durch Militär und die Entsendung eines Pestbarbiers stets nur bei höchster Gefährdung erfolgten."

Das Dorf Achim hatte im Jahre 1710, also vor dem Pestjahr 49 Höfestellen, (13 Baumannstellen und 36 Köthnerstellen) und somit etwa 300 Einwohner.

Bei Horst Korte lesen wir: 10)
"Im Jahre 1712 erreichte die verheerende Seuche Stade und schließlich das Dorf Achim. Die Nachbardörfer scheinen verschont geblieben zu sein. ............
In Stade starben 646 von etwa 3300 Einwohnern an der Pest, also fast 20 % der Bevölkerung. Für Achim sind keine Zahlen bekannt. Nachfolgende Höfelisten und Milizrollen lassen keine einschneidenden Bevölkerungsverluste in Achim erkennen."

Diese Aussage lässt sich wohl so nicht halten:

Der Achimer Chronist Dr. Albrecht Hinrich Christoph Windel weist in seiner Beschreibung des Gohgerichts Achim 11) immerhin darauf hin, dass die Pest im Jahre 1712 in Achim viele Menschen wegraffte.

Klaus Schwarz berichtete die Zahl von über 40 an der Pest Verstorbenen in Achim. In einem Schreiben vom 8. November 1712 aus Bremen an die ostfriesische Regierung nennt Oley, Berichterstatter über die Hansestädte, eine Zahl von mittlerweile über 20 in Achim verstorbenen Menschen; drei infizierte Häuser seien abgebrannt worden (SfA Aurich, Rep. 4, B II s, Nr. 4, Bd. III). Und damals war die Pest noch nicht vorbei! Pastor Zeidler berichtet, dass in und bei Achim etwa 40 Personen starben (vgl. Uesener Chronik, Achim 1987, Seite 24).

Die Kirchenbücher 12) der St. Laurentius-Kirche geben Auskunft über die tatsächlichen Zahlen:

Wenn man Pesttote unterstellt bei der Kirchenbuchangabe "mit Gebet bey dem Grab im Sand" (eben nicht auf dem Kirchhof begraben) und auch die Personen dazu zählt, die diese Angabe nicht haben, aber aufgrund des gleichen Nachnamens als Mitbewohner oder Familienangehörige eines Pesthauses erkennbar sind, kommen wir auf über 50 Personen, die in Achim an der Pest starben.

Da die Achimer Bevölkerung eine relativ homogene Gruppe aus nahezu ausschließlich evangelisch-lutherischen Angehörigen des Kirchspiels Achim war, dürften die Angaben des zu der Zeit lückenlos geführten Kirchenbuches fast alle an der Pest verstorbenen Einwohner erfassen. Wohl nicht an der Pest verstorben sind im fraglichen Zeitraum

  • Beerdigte, die aus den zum Kirchspiel Achim zählenden Dörfern in Achims Umgebung stammen, wo die Pest offenbar wegen der leichteren Isolation der kleinen Siedlungen nicht wütete, sowie
  • einige Neugeborene und Kleinkinder im Rahmen der verbreiteten Kindersterblichkeit, sowie
  • am Kindsbettfieber verstorbene junge Mütter und
  • einige alte Einwohner und
  • Beerdigte, bei denen weder der Vermerk: "bey dem Grab im Sand beerdigt", noch eine Haushaltsgemeinschaft oder Familienangehörigkeit zu den eindeutig an der Pest verstorbenen Einwohnern nachweisbar sind.

Danach starben 1712 in Achim folgende Personen an der Pest (in Klammern das Alter im Zeitpunkt des Todes; [] = begraben):

1) Familie Wacker: 6 Tote

Anna Margaretha Wacker (13)
[] 31.7.1712
Maria Wacker (2)
[] 13.8.1712
Lucca Wacker (11)
[] 15.8.1712
Beka Wacker (6)
[] 17.8.1712
Arend Wacker
Häusling
Cäcilia Wacker (40)
[] 17.8.1712
¥
Witwe Anna Wacker (70)
[] 27.8.1712
Carsten Wacker
Häusling
[] vor 1712
¥

2) Familie Bötticher: 3 Tote

Wichmann Bötticher (12)
[] 20.8.1712
Albert Bötticher (7)
[] 31.8.1712
Pestfriedhof Mühle
Wichmann Bötticher
Köthner
Alke Bötticher (50)
[] 1.9.1712
Pestfriedhof Mühle
¥

3) Familie Paschmeyer: 2 Tote

Johann Diedrich Paschmeyer (4)
[] 20.8.1712
Peter Paschmeyer (18)
[] 20.9.1712
Pestfriedhof Mühle
Peter Paschmeyer
Schneider
[] vor 1712
Thrina Paschmeyer, geb. Ellmers (Schwester von Johann Ellmers)
¥

4) Familie Oetjen: 3 Tote

Magdalene Oetjen (9)
[] 26.8.1712
Röpke Oetjen
Köthner
[] vor 1712
Alke Oetjen (44)
[] 6.11.1712
¥
Henrich Oetjen
Köthner
[] vor 1712
Gesche Oetjen (80)
* um 1632
[] 19.12.1712
¥
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