Wie er wurde, was er ist - Die Geschichte des Achimer Schützenhofes
Die Geschichte des Schützenhofes reicht weit in die Vergangenheit zurück, wenn auch wohl die Eigentumsübergabe von 7 Hufen Landes und 8 Leibeigenen durch den Ritter Gerhard von Stumpenhusen an den Erzbischof Liemar für die Bremische Kirche, und damit die erste urkundliche Erwähnung Achims, nicht in ihm stattgefunden haben dürfte.
Im Januar 1873 ersteht der Häusling Heinrich Bischoff in Achim den sogenannten "Berggarten" für sage und schreibe 1600 Taler und soll diese Schulden bis 1877 - zahlbar jeweils Weihnachten - abtragen.
Damit beginnt die wechselhafte Geschichte des Schützenhofes, denn mit dem Kauf verbindet Bischoff die Absicht, auf dem Grundstück ein Wohnhaus und eine Tanzhalle zu errichten. Der Neubau soll nach der Genehmigung zwischen der Bergstraße und der
Der Achimer Schützenhof um 1890
Die Gaststätte "Schützenhof" um das Jahr 1890. Der alte Sommergarten hat immer mehr dem Verkehr weichen müssen und ist heute verschwunden. In die heutige Straßeneinmündung hinein stand das 1877 den preußischen Eroberern zum Trotz - und gegen viele Widerstände - erbaute Denkmal für die in der Schlacht bei Langensalza gegen die Preußen 1866 gefallenen Hannoveraner aus der Landdrostei (später Regierungsbezirk) Stade. Wie das Denkmal für 1870/71 wurde es in den Rathausgarten (altes Rathaus) umgesetzt.
Feldstraße unter der Bezeichnung "Haus Nr. 318" erfolgen. Geplant ist eine Halle von 130 Fuß Länge und 36 Fuß Breite, sowie ein Wohnhaus von 54 Fuß Breite und 36 Fuß Länge.
Mit dem Bau der Tanzhalle wird sofort begonnen, allerdings, wie sich aus einer Untersuchung durch die Kronanwaltschaft vom 18. April 1873 herleiten läßt, wohl nicht besonders sorgfältig, denn am 15. April 1873 stürzt die Halle ein.
Der unternehmerische Optimismus Heinrich Bischoffs ist durch diesen Schlag jedoch nicht gebrochen, denn er stellt bereits im Juni des Jahres einen neuen Bauantrag, der diesmal den heutigen Grundriß hat. Dem Antrag wird mit der Auflage stattgegeben, er möge in Zukunft die Regeln der Baukunst beachten und nicht wieder auf halbsteinigem Fundament und mit schadhaftem Bauholz bauen. Offensichtlich hat er diesen Hinweis beherzigt, denn der Saal steht noch heute.
Mit der Genehmigung zur Betreibung einer Schenkwirtschaft wird Heinrich Bischoff zum "Schützenwirt", der sich in einem Kontrakt dazu verpflichtet, für die Aktivitäten des Schützenvereins über 30 Jahre Räume zur Verfügung zu stellen. Auch der Turnverein will seine Turnübungen und Versammlungen sowie Festlichkeiten in seinen Localen abhalten. Selbst der Director Waitzmann fragt an, ob er theatralische Vorstellungen in den sehr geeigneten Räumen veranstalten kann.
So wird die Gastwirtschaft wohl einen erfolgreichen Anfang genommen haben, denn im Laufe der folgenden Jahre wird immer wieder angebaut und vergrößert.
Nach dem geheimnisumwitterten Tod Heinrich Bischoffs übernimmt seine Schwester Johanna, die ihm während all der Jahre geholfen hat, das Geschäft am 4. März 1899. In dem "Fragebogen zu dem Antrag der Anbauerin Johanne Bischoffin Achim um Ertheilung der Erlaubniß zum Betriebe der Gastwirthschaft und Schenkwirthschaft" vom Februar 1899 heißt es am Schluß: "Wäre ein solches Etablissement in Achim nicht vorhanden, so müßte es geschaffen werden." Zu dieser Zeit zählt Achim 3070 Seelen, es werden 18 Gaststätten, 3 Schenkwirtschaften und 5 Kleinhandel mit Getränkeverkaufbetrieben. Über die Angaben im Fragebogen erfährt man, daß es 18 Räume im Schützenhof gibt, wovon 5 zur Wohnung und 13 zum Gewerbebetrieb gehören. Für die Gäste werden in Gasträumen 8 Tische und 24
Stühle bereitgehalten und im Saal können sich Schützenfest-, Tierschau- und Besucher größerer vaterländischer Feste auf 350 Stühlen und an 25 Tischen vergnügen. Auch eine hauseigene Pumpe ist inzwischen vorhanden.
Wieder vergeht eine lange Zeit, in der die Weltgeschichte auch an dem kleinen Weserstädtchen Achim nicht spurlos vorübergegangen sein dürfte. So wird am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailies der Friedensvertrag geschlossen, mit dem dem deutschen Reich die Rechnung für den ersten Weltkrieg vorgelegt wird.
Ob auch im Saal des Schützenhofes solch geschichtsträchtige Ereignisse stattgefunden haben, sei dahingestellt, aber immerhin - der Saalbetrieb florierte.
Johanne Bischoff, inzwischen verheiratete Henze, vererbt am 20. März 1920 den Schützenhof an ihren Neffen Heinrich Wahl, der gemeinsam mit Fritz Prötte1 einen Konzessionsantrag stellt.
Für die nächste Betriebserlaubnis, datiert auf den 8. September 1933 - die Farbe der Macht ist inzwischen Braun - braucht Wahls Neffe Georg Töpfer lediglich die Befürwortung des Wirte-Vereins für den Kreis Achim. Sein Onkel Heinrich, der den Schützenhof 5 Jahre später wieder übernimmt, muß neben der Unbedenklichkeitserklärung der Deutschen Arbeitsfront-
Gauverwaltung Ost-Hannover - und des Achimer Bürgermeisters Brinkmann zusätzlich noch den Nachweis erbringen, daß er kein Jude ist.
Dies trifft auch für Fritz Prötte1 zu, der am 22. März 1939 den Schützenhof kauft.
Natürlich verändern sich jetzt auch die Farben der Uniformen, die im und um den Schützenhof zu sehen sind, wie alte Fotos belegen.
Die Familie Pröttel bleibt bis in die 80er Jahre mit der Geschichte des Schützenhofes verbunden. In den Fünfzigern wird angebaut und eine Erlaubnis für den Verkauf von Speiseeis beantragt. Doch am Beginn der Siebziger Jahre muß die Stadt Achim den Schützenhof kaufen und die ehemaligen Besitzer als Pächter einsetzen, um für Achim den großen Saal im Zentrum der Stadt zu erhalten.
1984 veranstaltet eine "Initiative zur Erhaltung des Schützenhofes" ein großes Fest unter Beteiligung der verschiedensten Gruppen und Vereine, um deutlich werden zu lassen, was in einem Kulturhaus "Schützhof" stattfinden könnte.
Für einen Bürgerantrag an den Rat der Stadt, in dem die Nutzung als Bürger und Kulturhaus gefordert wird, werden mehr als 1700 Unterschriften gesammelt. Trotzdem wird das Gebäude 1985 an eine Privatperson verkauft, oberflächlich saniert und schließlich nach wirtschaftlichem Mißerfolg und Beschluß im Rat 1987 zurückgekauft.
In einer Arbeitsgruppe, die sich aus interessierten Bürgern und Vereinen zusammensetzt und unter der Leitung von Bürgermeister Christoph Rippich steht, werden inhaltliche Ziele erarbeitet und das architektonische Konzept mit dem Architekten entwickelt.
Im Frühjahr 1988 beginnen die Vorarbeiten für den Umbau. Die Baugenehmigung wird im Sommer des Jahres erteilt. Im Januar 1989 gründet sich der Trägerverein "Alter Schützenhof", der die inhaltliche und organisatorische Leitung des Kulturhauses übernehmen soll. Es soll versucht werden, auf dieser Basis eine möglichst große Bürger- und Nutzerbeteiligung und aktive Mitwirkung zu erreichen.
Durch den Abschluß eines Nutzungsvertrages mit der Stadt, in dem sich der Trägerverein verpflichtet, ein Kulturhaus auf der Grundlage der Satzung zu betreiben und die Stadt die Übernahme der Betriebskosten zusichert, wird es möglich, zum Jahresende zwei hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter einzustellen. Sie erarbeiten in Absprache mit dem Vorstand alle formalen und inhaltlichen Notwendigkeiten, die Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Hauses sind.
Mit der Eröffnung des Kulturhauses "Alter Schützenhof" am 28. April 1990 beginnt ein neues Kapitel der Schützenhofgeschichte.
Das Leben soll wieder pulsieren, zum Treffpunkt aller Achimer Bürger soll sich das Haus entwickeln - bürgernahe Kultur oder auch Sozialkultur ist das Neue, was zukünftig im "Alten Schützenhof" stattfinden wird.
Theater, Film, Musik und Tanz, Kunstausstellungen sowie Bildungs- und Informationsveranstaltungen sind die Standbeine des neuen Konzepts. Das Programm soll anregend, vielleicht auch aufregend sein und dazu ermuntern, Eigeninitiative zu ergreifen und Experimente zu wagen.

(Text: Andreas Hein-Köcher, "Wie er wurde was er ist" in "900 Jahre Achim", Verden 1990)
nach oben
zurück